Endergebnis Brandenburg-Wahl: Wahlsieger SPD
Die Sozialdemokraten konnten in Brandenburg zulegen und haben jetzt die Wahl beim Koalitionspartner. In Frage kommen wieder die CDU und erstmals auch die Linkspartei.
POTSDAM taz | "Damenwahl" ist aktuell das meistgebrauchte Bild in der Brandenburger Landespolitik. Denn der alte und höchstwahrscheinlich auch neue Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) kann sich aussuchen, mit wem er koalieren und welche Frau er zu seiner Stellvertreterin machen will: Die Spitzenkandidatin und Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Kerstin Kaiser, oder die Nummer eins der CDU, Wissenschaftsministerin Johanna Wanka. Platzeck selbst gab sich am Wahlabend bedeckt, kündigte lediglich an, man werde "CDU und Linke einladen". Seine Partei, die seit 1999 mit der CDU regiert, war wie schon bei vorangegangenen Wahlen ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gegangen.
Einen kleinen Hinweis für Rot-Rot lieferte allerdings SPD-Fraktionschef Günter Baaske bei der in gedämpfter Stimmung verlaufenden Wahlparty der Sozialdemokraten. Als dort auf dem Fernsehschirm CDU-Spitzenkandidatin Wanka verkündete, ihre Partei werde ein Vergabegesetz mit Mindestlöhnen nicht mitmachen, sagte Baaske: "Dann wird die Sache sehr einfach."
Das Vergabegesetz und ein Schüler-Bafög galten als Kackpunkt möglicher rot-schwarzer Koalitionsverhandlungen. Rot-Rote Gespräche könnten hingegen am ehesten an gegensätzlichen Positionen in der Energiepolitik scheitern: Die SPD will den Braunkohle-Tagebau im Land ausdehnen, die Linkspartei will ihn zurückfahren.
Während die SPD bundesweit zweistellig abstürzte, hat es die SPD in Brandenburg wieder einmal herausgerissen. Noch nicht einmal seinen Namenszug hatte Matthias Platzeck dafür nötig, bloß "Der Brandenburger" hatte der Ministerpräsident auf seine Wahlplakate schreiben lassen. Das brachte der SPD ein nahezu konstantes Wahlergebnis (siehe Kasten).
Das ist für die in den Neunzigerjahren mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten zwar nicht gerade das beste Ergebnis seit der Wende, aber besser als vor fünf Jahren und viel besser als das auf Bundesebene. Bereits 2004 hatte Platzeck seine Partei gegen alle Hartz-IV-Proteste quasi im Alleingang zum Wahlsieg geführt.
Zweitstärkste Partei wurde erneut die Linkspartei – ebenfalls mit fast genau demselben Ergebnis von vor fünf Jahren. Wiederum nur auf dem dritten Platz landete die CDU, die sich allerdings gegenüber ihrem katastrophalen Ergebnis von vor fünf Jahren um einen guten Prozentpunkt verbessern konnte.
Großer Jubel brandete kurz nach 18 Uhr in Potsdam bei Liberalen und Grünen auf. Beide ziehen erstmals seit 1994 wieder in den brandenburgischen Landtag ein. Die FDP erreichte demnach mehr als doppelt so viel wie beim vergangenen Mal. Knapper war der Ausgang für die Grünen, die aber auch ins Parlament einziehen können. Allerdings hatten sie mit deutlich mehr gerechnet.
Spitzenkandidat Axel Vogel hatte getönt, das Ergebnis der Thüringer Grünen von 6,2 Prozent und sogar das Brandenburger Europawahlergebnis von 8,4 Prozent übertreffen zu wollen. Am Wahlabend war die Partei dennoch zufrieden – zwei Umfragen hatten sie zuletzt bei nur vier Prozent gesehen.
Die Rechten sind künftig nicht mehr im Landtag vertreten: Die DVU, die 2004 noch auf rund 6 Prozent kam, rutschte auf gerade mal ein gutes Prozent ab. Die NPD erreichte magere 2,5 Prozent.
Trotz des Erfolgs auf Landesebene hielt sich der Jubel bei der SPD in Grenzen, als bei ihrer Wahlparty in einem Kino in Potsdam-Babelsberg die Ergebnisse über den Bildschirm liefen. Zu sehr schockte das katastrophale Ergebnis der Partei auf Bundesebene, wo die Sozialdemokratie ein Drittel der Stimmen einbüßte. Da mochte der Brandenburger SPD-Generalsekretär Klaus Ness in einer ersten Stellungnahme das Resultat "ein sehr, sehr gutes" nennen - das Bundesergebnis überschattete alles.
Es passte zur Stimmung im Kino, als bei einem Kurzbesuch von Platzeck ein Glas umfiel und hörbar splitterte. "Das bringt ja Glück", sagte der Ministerpräsident und SPD-Landeschef, der das Land seit 2002 regiert.
Welche Koalition das Land in den nächsten fünf Jahren regiert, blieb wie im Wahlkampf auch am Sonntagabend offen. Allein ein Wahlsieg der Linken hätte jegliche Spekulationen beendet: Ein solches Resultat hätte automatisch zu einer Neuauflage von Rot-Schwarz geführt, denn die SPD hatte deutlich genug gemacht, dass sie nicht als Juniorpartner einer rot-roten Regierung zur Verfügung stünde. So aber haben die Sozialdemokraten, die ohne Koalitionsaussage in die Wahl gegangen waren, weiter zwei Optionen - und damit ein Druckmittel für die Koalitionsverhandlungen.
Die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Kerstin Kaiser, drängte die SPD zu Rot-Rot: "Jetzt muss Platzeck mutig sein. Jetzt kann er mit uns mehr soziale Gerechtigkeit in dieses Land bringen", sagte sie.
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