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Ende des „ordentlichen Streiks“

■ Im Siemens-Trafowerk sind die meisten mit dem Ergebnis zufrieden und würden gerne sofort wieder zur Arbeit gehen

Nürnberg (taz) – Nur wenige Pfiffe erntet Konrad Unterlugauer, Betriebsratsvorsitzender von Siemens-Trafowerk in Nürnberg, als er im Streiklokal das Verhandlungsergebnis verkündet. Die große Mehrheit klatscht jedoch Beifall. „Wir haben die soziale Komponente und eine Beschäftigungsgarantie ausgehandelt sowie eine Vier vor dem Komma“, lobt der Mann mit der roten IG-Metall-Mütze das Ergebnis. Daß die Arbeitgeber von einer 3,8prozentigen Erhöhung reden, ist ihm egal. „Die können rechnen, was sie wollen.“

„Ein Ergebnis, mit dem ich leben kann und das ich meiner Frau gut verkaufen kann“, meint auch Streikposten Lothar Schneider zufrieden. Für den Industriemechaniker Thomas Baumeister und den Schlosser Dieter Buchner hat der Abschluß jedoch auch Schattenseiten. Buchner findet die prozentuale Erhöhung vor allem für die Schlechterverdienenden „ungerecht“. Baumeister hätte gerne auf die 35-Stunden-Woche verzichtet. „Das schafft doch keinen Arbeitsplatz.“ Die Runde, die neben ihm im Streiklokal am Tisch sitzt, nickt zustimmend.

„Die denken nicht nach“, wischt Unterlugauer die Einwände gegen die Arbeitszeitverkürzung vom Tisch. Zudem sei die Lohnerhöhung nicht das Entscheidende. „Mit dem Streik ist ein Schulterschluß zwischen ArbeiterInnen und Angestellten entstanden, deshalb werden wir in Zukunft mehr Druck auf die Unternehmer ausüben können.“ Angesichts des „disziplinierten“ Streiks spricht der Betriebsrat von einer „völlig neuen Streikkultur, ja einer neuen betriebsspezifischen Kultur.“

Viele der Anwesenden im Streiklokal würden am liebsten sofort, ohne die Urabstimmung abzuwarten, wieder an die Arbeit gehen. „Morgen schicken wir die Putzkolonnen los, damit beim Arbeitsbeginn alles blitzblank ist“, erzählt Unterlugauer stolz. Sein Traum wäre es, wenn nach Streikende die „Belegschaft mit einer Blaskapelle an der Spitze“ in den Betrieb einmarschieren würde. „Wir haben den Streik ordentlich begonnen, wir hören ihn ordentlich wieder auf.“ Zuvor will er noch ein Transparent ans Werktor hängen. Der Slogan „Kreativität statt Beton“ soll den Hardlinern aus dem Arbeitgeberlager heimleuchten. „Die haben noch nicht verstanden, daß es hier um Menschen geht, mit denen man vernünftig umgehen muß.“ Bernd Siegler

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