Ende des Hygienebarometers: Nur Pankow lässt weiter tief blicken
Bunte Balken, die KundInnen zeigen, wie clean es in einem Gastronomiebetrieb zugeht: Theoretisch gibt es sie, praktisch werden sie nie kommen.

Nie gesehen? Kein Wunder: Eigentlich sollten die Hygienebarometer längst an allen Türen hängen, bislang tun sie’s aber nur in der Theorie. Und bald noch nicht mal da: Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat ein Gesetz zur Abschaffung des – Achtung Wortmonster – Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetzes (LMÜTranspG) sowie der Lebensmittelüberwachungstransparenzgesetzdurchführungsverordnung auf den Weg gebracht.
Das 2023 in Kraft getretene Gesetz soll unmittelbar sichtbar machen, wo korrekt gearbeitet wird und wo nicht. Weil aber die Ordnungsämter schon mit den ohnehin vorgeschriebenen Kontrollen überfordert sind, kommt es nie dazu, dass die Ergebnisse aufbereitet, online veröffentlicht, den Gastronomiebetrieben zum Aushang zugestellt und diese Aushänge kontrolliert werden.
Verbraucherschutzsenatorin Felor Badenberg (CDU) begründet die Abschaffung des Gesetzes damit, dass der zusätzliche Aufwand für die Behörden zwar „als verhältnismäßig gering eingeschätzt“ wurde, aber „dennoch gegeben“ sei. Und: „Angesichts der Haushaltslage sind die durch Landesrecht zusätzlich geschaffenen Aufgaben einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.“ Die Bundesgesetze des gesundheitlichen Verbraucherschutzes reichten aus.
Die Grünen, auf die das noch geltende Gesetz zurückgeht, finden das natürlich nicht gut. „Der Senat macht es sich leicht, indem er das Gesetz abschafft, statt es zu verbessern oder ein bundeseinheitliches Transparenzgesetz einzuführen“, so der ernährungspolitische Fraktionssprecher, Turgut Altuğ, zur taz. „Ein etabliertes Smiley-System, wie es Dänemark seit über 24 Jahren erfolgreich praktiziert wird, wäre ein klarer Gewinn.“
Frühere Ampel-Versuche scheiterten
Tatsächlich gab es in Deutschland schon vor Jahren den Versuch, nach Gammelfleisch- und ähnlichen Skandalen eine bundesweite Kontroll-„Ampel“ einzuführen. Am Ende konnten sich die Länder jedoch nicht auf gemeinsames Handeln einigen.
Turgut Altuğ ist sich sicher: Das Aus für die Hygienebarometer stoße „in der Zivilgesellschaft auf Unverständnis“. In den wohlinformierten Teilen der Zivilgesellschaft, möchte man ergänzen – denn die meisten wissen wohl gar nichts von der nie verwirklichten Transparenz. Berlins einzige Enklave der Informiertheit liegt im Nordosten: Pankow veröffentlicht schon lange alle Kontrollergebnisse mit einem Smiley-System im Netz, Schmuddelbilder von unter der Spülmaschine inklusive.
Diese Praxis bleibt vorläufig erhalten. Allerdings basiert sie laut Bezirksamt auf EU-Recht, nicht auf dem LMÜTranspG. Letzteres würde viel zu viel Personal binden – findet man auch in Pankow.
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