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Ende der Oxfort-Tour

■ Der Sieg der linksliberalen Carola von Braun macht die Gesamtberliner Wahl im Dezember spannend

KOMMENTAR

Mit der Wahl Carola von Brauns hat sich die Berliner FDP nach anderthalbjähriger Oxfort-Tour auf der politischen Bühne wieder zurückgemeldet. Daß wieder Bewegung in den in Agonie versunkenen Wahlverein gekommen ist, verdankt die FDP ihren Delegierten aus Ost-Berlin: Da sitzt offenbar ihre bessere Hälfte. Ein rechter, wirtschaftliberaler Flügel konnte sich dort bisher - 40 Jahre Planwirtschaft sei Dank nicht bilden. Die Ostler ließen sich von Oxforts Kanonaden gegen den rot-grünen Senat nicht beeindrucken und wählten ausgerechnet eine Angestellte der angeblich verderbten Regierung, weil sie den richtigen Ton getroffen hat: Im kommenden heißen Herbst werden sozialpolitische Konzepte gefordert sein, der vom rechten FDP-Flügel immer wieder eingeklagte Rückzug des Staates aus sogenannten Privatangelegenheiten wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Erziehung ist dann gerade nicht gefragt.

Auch wenn Frau von Braun darüber noch nicht reden kann und mag: Seit Samstag ist in Berlin eine sozialliberale Koalition zumindest wieder denkbar geworden. Mit Oxfort an der Spitze wäre das gleich aus zwei Gründen kein Thema: Zum einen, weil er schon das vage Andenken einer solchen Konstellation seit Ende der siebziger Jahre in seiner Partei radikal bekämpfte, zum anderen, weil die Freien Demokraten mit Oxfort in Berlin schlicht keine Chance hätten. Denn die meisten Neuwähler, das beweisen Umfragen, springen der SPD von der Schippe. Als es im Frühjahr mal wieder ordentlich in der rot-grünen Koalition gescheppert hatte, formulierte ein genervter SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt, daß es zu den Alternativen „zur Zeit“ keine Alternative gebe. Nun ist sie da, fehlen bloß noch die Wählerinnen und Wähler, die das Spielchen mitmachen. Aber solche nebensächlichen Probleme hat die immer wieder totgesagte FDP ja schon mehr als einmal bewältigt.

Claus Christian Malzahn

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