■ Indonesien: Zaghafte Rebellion gegen das Suharto-Regime: Ende der Harmonie-Diktatur
„Theater Pancasila“ nennt der indonesische Künstler Tisna Sanjaya seine Grafik, die er neben vielen anderen düsteren Bildern gegenwärtig in Jakarta ausstellt. Sie zeigt ein dunkles Gewirr von verschlungenen Zeichen, fliegenden Akrobaten und Gesichtern hinter Gittern, dazwischen versteckt eine Sprechblase: „Publikum keine Ahnung.“
„Pancasila“ heißt unter anderem nationale Einheit, Gottgläubigkeit und soziale Gerechtigkeit. Präsident Suharto, der das Inselreich seit 1965 autokratisch und mit Hilfe des Militärs regiert, hat die Pancasila zur Staatsphilosophie der „nationalen Harmonie“ erhoben — und sich selbst zu ihrem höchsten Hüter. Sie wurde zur Waffe im Kampf gegen jegliche Kritik. Eine Opposition, die im Parlament gegen die Regierung stimmt, wäre ganz und gar „unindonesisch“, ließ Suharto wissen und schuf sich ein Regierungssystem, das seine lebenslange Herrschaft garantiert. Neben der Staatspartei Golkar — die alle Staatsangestellten wählen müssen, um ihre Loyalität zu beweisen — sind nur zwei Parteien zugelassen, die zur „harmonischen Zusammenarbeit“ mit der Regierung verpflichtet sind. Wer nicht mitspielt, wandert hinter Gitter.
Dreißig Jahre hat dieses System zur Zufriedenheit Suhartos, des indonesischen Militärs und einer kleinen Wirtschaftselite funktioniert. Und niemand glaubt, daß die Herrschaft des Präsidenten durch die Unruhen dieses Wochenendes kurzfristig ernsthaft gefährdet ist. Die Gewalt auf den Straßen von Jakarta zeigt aber, wie leicht sich die verbreitete Wut auf die Willkür, Korruption und Habgier der Behörden und der Regierung entzünden kann.
Je härter Suharto jetzt gegen seine Gegenspielerin Megawati Sukarnoputri vorgeht, um so mehr wird sie zum Symbol des Widerstands werden. Denn die Politikerin verdankt ihre Popularität nicht nur dem berühmten Namen — ihr Vater war Staatsgründer Sukarno —, sondern auch ihrer hartnäckigen Forderung nach Demokratie, die sie mit zurückhaltenden Reformvorstellungen und Aufrufen zur nationalen Einheit verknüpft. Auch der Präsident kann ihr nicht vorwerfen, „unpatriotisch“ zu sein. Das ist ihre Stärke. Suharto hat eine große Show veranstaltet, als er in der vorigen Woche die Außenminister aus aller Welt zu Gast hatte. Doch das Publikum im eigenen Land ist nicht mehr ahnungslos. Jutta Lietsch
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