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Empörung in HessenQuatschaufgabe im Matheabi

Während die Prüfung lief, kam die Nachricht: Im hessischen Matheabi steckten unlösbare Aufgaben. 15.000 Prüflinge sind betroffen, die Empörung ist groß.

... fragten sich die AbiturientInnen angesichts der unlösbaren Matheaufgabe. Bild: photocase/meldef

FRANKFURT taz Bald zwanzig Minuten lang saß Patrick am vergangenen Freitag an einer einzigen Aufgabe seiner Matheklausur im Rahmen des Zentralabiturs in einem Gymnasium im Südhessischen. Dann resignierte der 18 Jahre alte, eigentlich in Mathe gute Schüler und ging die nächste Aufgabe an. Sekunden später stand der Rektor im Klassenzimmer und verkündete, dass er gerade eine Mail aus dem Kultusministerium erhalten habe: Bei einer Aufgabe im Leistungsfach Mathe habe sich ein Fehler eingeschlichen. Diese Aufgabe werde bei der Notenfindung wohl keine Berücksichtigung finden. Wie die Sache zu bewerten sei, sagte der Rektor, das wisse er auch nicht so genau.

"Wir waren alle irgendwie irritiert", berichtet Patrick M. Der Lehrer habe nur mit den Schultern gezuckt. Seinen vollen Namen will Patrick nicht in der Zeitung lesen: "Wer weiß, wie das alles ausgeht; am Ende bin ich vielleicht doch noch der Dumme."

Rund 15.000 hessische Abiturienten sind betroffen von den "groben Schnitzern", wie das die SPD nennt. Dass so viele darunter leiden, liegt daran, dass auch in Hessen die Abituraufgaben seit 2007 landesweit einheitlich gestellt werden. Die Anfälligkeit des Zentralabiturs hatte schon ein Vorfall in Nordrhein-Westfalen gezeigt: Im vergangenen Jahr wurde dort eine Textaufgabe gestellt, die ein Bonner Professor hinterher als praktisch unlösbar bewertete. Eine Geometriefrage ging als "Oktaeder des Grauens" in die Geschichte ein.

Die Fehler in Hessen hat offenbar ein vom Kultusministerium bestelltes Fachlehrergremium zu verantworten - dessen Arbeit von einem anderen Fachlehrergremium sogar noch mal nachgeprüft worden sein soll. Denn nicht nur die Abiturienten, die Mathe als Leistungskurs gewählt hatten, bekamen eine falsche Aufgabe; auch die Schüler, die Mathe nur als Grundkurs belegt hatten, wurden mit einer falschen Aufgabe konfrontiert.

Glück im Unglück hatten die Probanden, deren Fachlehrer sich die Mühe gemacht hatten, die Aufgaben bei Klausurbeginn selbst durchzurechnen. Sie entdeckten die Fehler schnell, machten ihre Schüler darauf aufmerksam und verhinderten so eine Zeitverschwendung durch die sinnlose Beschäftigung mit der unlösbaren Aufgabe.

"Es ist absurd, dass Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen die fehlerhaften Aufgaben auf den ersten Blick erkennen, die ,Experten' des Kultusministeriums aber nicht", sagte der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Mathias Wagner. Auf dem Parteitag der Hessen-Grünen am Sonnabend war von einem "bildungspolitischen GAU" von Roland Kochs schwarz-gelber Regierung die Rede. Und es wurde die Abschaffung des Zentralabis propagiert. Auch die Vorsitzende des Landeselternbeirats, Kerstin Geis, zeigte sich "erschüttert". Man müsse doch davon ausgehen, dass von Fachkräften gestellte Aufgaben fehlerfrei seien, sagte sie. Schüler dürften in Prüfungssituationen nicht "mit solchen Turbulenzen konfrontiert werden". Von den Schülern verlange man ja auch, dass sie "sauber, sorgfältig und korrekt" arbeiteten.

Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) versicherte, dass Schülerinnen und Schülern wegen der Pannen "keine Nachteile entstehen". Allerdings wusste sie nicht verbindlich zu sagen, wie die Sache geheilt werden kann. Es werde geprüft, einzelne Aufgaben ganz aus der Bewertung herauszunehmen - oder ob auch alternative Lösungsansätze für die falschen Aufgaben anerkannt würden; auch eine Wiederholung der Mathematikprüfung sei nicht ausgeschlossen.

Genau das fordert Landesschülersprecherin Katarina Horn. An manchen Schulen nämlich hätten die Abiturienten erst 20 Minuten vor dem Abgabetermin des Mathetests von den fehlerhaften Aufgaben erfahren. Elternsprecherin Geis ist eher dagegen. Durch die falschen Aufgabenstellungen seien die Schülerinnen und Schüler "in hohem Maße verunsichert" und müssten beim Abitur mit noch mehr "Druck und Anspannung" als ohnehin schon zurechtkommen.

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13 Kommentare

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  • I
    Insider

    Diese peinlichen Pannen beim Landesabitur resultieren im Endeffekt auch aus der Geiz-ist-Geil-Mentalität der verantwortlichen Politiker im Bildungsbereich. Die Abi-Aufgaben entstehen nämlich so:

    Das Ministerium schreibt Schulen an, ob sie nicht Lust haben, Abi-Vorschläge zu erarbeiten. Die Schulen senden die Vorschläge ans Ministerium. In einem Fachgremium werden alle Vorschläge gesichtet, bewertet und evtl. verändert. Alle beteiligten Lehrer und Mitglieder der Fachgremien machen das so nebenbei, zusätzlich zu ihrer schon hohen Arbeitsbelastung. Dabei schleichen sich natürlich Fehler ein. Die Abi-Aufgaben werden dann von einer Sekretärin, die natürlich keine Ahnung von Mathe hat, in ein elektronisches Format umgesetzt und formatiert und u.U. editiert. Dabei schleichen sich noch mehr Fehler ein.

     

    Alle Beteiligten haben eigentlich keine Zeit und viele andere Aufgaben. Die hochbezahlten Leute im Ministerium haben sich schon lange aus dem anstrengenden Knochenbetrieb Schule abgesetzt, und lange keine Schule, keine,Schüler, und erst recht keine Matheaufgaben mehr gesehen.

     

    Für Qualitätssicherung ist kein Geld da - das haben jetzt sowieso die Banken - alle Reformen und die damit verbundene Mehrarbeit sollen ja nichts kosten und resourcenneutral durchgeführt werden.

     

    Hessen ist im Ranking der Länder ziemlich weit unten, und da wird es auch bleiben, wenn es so weiter geht mit der hessischen Bildungssparpolitik auf Kosten der Lehrer und Schüler. Bildungsland Hessen - helau.

  • A
    almofada

    Das boese boese Zentralabitur aber auch...!

     

    Ich lebe in Portugal, meine Ehefrau ist Lehrerin der Sekundarstufe fuer Physik und Chemie mit ueber 25 Jahren Praxiserfahrung.

     

    Hier gibt es keine Diskussion ueber Zentral oder Dezentral, es IST einfach so, dass das Erziehungsministerium die Pruefungsinhalte bestimmt.

    Was nicht heisst, dass ich die Sache gut - oder schlecht - finde... aber die Perspektiven sind halt anderswo einfach anders- und nicht so weltanschaulich eng eingestellt...

     

    Kritikpunkte ergeben sich eher daraus, ob ein Fachlehrer es schafft, zielgerichtet auf die Abschlusspruefung hinzuarbeiten, oder ob er seine Inkompetenz nicht bemaenteln kann...

     

    Ich bin mir aber inzwischen sicher, dass nicht das Abitur, oder wie die jeweilige Pruefung eben heisst, entscheidend ist. Wichtiger ist, was die da getestete Person aus den Ergebnissen dann im Laufe des weiteren Lernens "macht". Mittelmaessige Schul-Leistungen bedeuten dann eben keinesfalls zwangslaeufig mittelmaessige Lebenseinstellung oder Berufsauffassung. Und "excellente" Noten sind noch lange kein Garant dafuer, nicht doch ein Arschloch zu sein, das nur seine eigenen Beduerfnisse kennt und akzeptiert, und andere gegenlaeufige Meinungen vom Tisch wischt.

    Schule, richtig verstanden, soll zum Denken anleiten, Lernmethoden vermitteln, historische Entwicklungen aufzeigen, Methoden einueben. WIE das im Einzelnen geschieht, ist doch eher Ideologiepolitik, Geschwaetz, Faehnchen-nach-dem-Wind richten... Man reibt sich gerne im Methodenkrieg auf, weil dessen Resultate kurzfristiger erfahrbar sind. Aber das zielt an dem, was man "mitnehmen" koennte, meilenweit vorbei.

     

    (Ich bin auch Besitzer eines mit 2,1 benoteten Voll-Abiturs. Na und?)

  • TS
    T. Schmitt

    Das war ja noch nicht alles. Wenigstens dürfen wir jetzt nachschreiben, mit der besseren Note als Endnote.

     

    Habe heute Geschichte Leistung geschrieben, und die Vorschläge waren einfach eine Frechheit. 2 von 3 Vorschlägen hatten als Thema die französische und deutsche Revolution. Die Fragen waren so gut wie voneinander kopiert, nur ein anderer Text. Der dritte Vorschlag hatte einen Text, in dem der Verfasser maximal 3 eigene Vorstellung zur Außenpolitik der jungen BRD äußert. Diese sollte man mit der Außenpolitik Bismarcks und Stresemanns vergleichen. Einen Vergleich mit diesen beiden profilierten Politikern aufgrund von maximal 3 sehr sehr schwammig formulierten Aussagen zu verlangen ist in meinen Augen einfach die Höhe.

     

    Ähnliche Kritiken gab es übrigens auch aus den Leistungskursen PW und Deutsch.

     

    Wenn Zentralabitur, dann bitte richtig...

  • M
    meinname

    @Michael Plaumann:

     

    Und was für nen Nutzen ein Zentralabitur hat!

    Ich besuche eine der schwersten Schulen in Hessen (sieht man an einem der besten Abischnitte des Jahrgangs in den vorangegangen Zentralprüfungen) und finde das Zentralabi mehr als hilfreich.

    So und nur so ist ein wirklicher Leistungsvergleich möglich. Und nötig ist der allemal, nämlich für jeden Ausbildungbetrieb und für jede Universität. Wer bei uns ein 2.0 Abitur schrieb (vor dem Zentralabi), der hätte etwa an einem typischen Frankfurter Gymnasium einen Schnitt von 1.5 erreicht.

    Und dann erhaschen Leute, die im Abi weniger gekonnt haben und leichtere Prüfungen bekommen hatten, die NC-Fächer und die Ausbildungsplätze in Betrieben mit notenversessenen Chefs, weil bei uns ein strengeres Abi durchgezogen wurden und gleiche Leistung schlechtere Noten brachte als wo anders? "Fair" ist das jedenfalls nicht.

    Das Zentralabi bringt uns, dass wir wenigstens auf hessischer Ebene eine Vergleichbarkeit gegeben haben. Es fehlt noch, dass dies auf Bundesebene ausgeweitet wird, denn das Leistungsgefälle zwischen den Ländern ist noch viel immenser als das innerlandliche.

     

     

    Die vielbejammerten "Nachteile des Zentralabiturs" sind in meinen Augen fast ausschließlich auf die Unfähigkeit in Ministerien, Gremien & co. sowie die allgemeine Umsetzung zurückzuführen, aber kein Problem, dass ein Zentralabi immer mit sich bringt. Und solange wir sowas wie die Wolff oder die Henzler (Wolff 2, wie man hier schon zu sagen pflegt) als Kultusministerin vornean stehen haben, da muss man sich wirklich kein bisschen wundern, wenn das Vorhaben von Fehlern und Pannen durchsetzt ist.

  • K
    kreetrapper

    Aus diesem - extrem peinlichen - Vorfall die Abschaffung des Zentralabis als praktische Schlussfolgerung zu ziehen, ist eine noch peinlichere mentale Fehlleistung.

     

    Dem kann ich mich nur anschließen. Genau dasselbe habe ich beim Lesen des Artikels auch gedacht.

  • M
    meinname

    ich saß freitag auch in der gk-prüfung. so ich mich recht erinnere gab es auf diese teilaufgabe, die mit dem rest nichts zu tun hatte, sage und schreibe 3 punkte. 3 von 100, die es maximal in der gesamten prüfung zu erlangen gab.

    natürlich ist so ein fehler nicht ok, nein, der ist unter aller sau und das muss konsequenzen haben und dürfte ansich garnicht passieren.

    aber trotzdem: die leute, die jetzt ihr maul derart aufreißen über die unlösbarkeit der aufgabe, die sie "für die gesamte restliche prüfung massivst verunsichert und beeinträchtigt und ihnen unmengen an zeit geraubt" hat, das sind die, die eh grade so auf das bestehen der prüfung hoffen konnten. jeder schüler mit ein bisschen hirn in der birne und nicht nur ein paar auswendig gelernten formeln hätte die aufgabe erstmal beiseite gelegt und den rest erledigt.

    als ob es nicht auch bei korrekten aufgabenstellungen vorkommen kann, dass man als prüfling mal einen hänger hat, irgendwo einen blöden fehler einbaut (ein vorzeichenfehler reicht oftmals schon)und somit eine teilaufgabe nicht lösbar ist, quatsch ergibt oder sich in endloser rechnerei verliert. mit sowas muss man immer rechnen und dann zur not halt erstmal zur nächsten aufgabe überspringen.

  • D
    deri

    Ich finde es eher nachdenkenswert, dass diese sog. "Fachlehrer" ebenfalls an der Ausarbeitung der Lehrbücher beteiligt sind. Nicht das Zentralabitur sollte in Frage gestellt werden, sondern eher der Stoff. Natürlich ist es peinlich, besonders für die Fachlehrer....

  • IN
    Ihr Name Michael Plaumann

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    Es ist schon interessant, es findet sich immer jemand, der mit den ewig gleichen Argumenten das Zentralabitur verteidigt. Das wird nach der zehnten Panne noch genau so sein.

    Gute Vergleichbarkeit?

    Wer will denn, zu welchem Zweck und vor allem mit welcher Konsequenz die landesweiten Abitursnoten miteinander vergleichen?

    Aber ich dachte die Argumente sein ausgetauscht?

    Im TAZ-Artikel geht es ja auch weniger um Zentralabitur ja oder nein, sondern um Verunsicherung und Probleme bei denen, die jetzt gerade das ASbitur ablegen.

  • WL
    Werner Lorenzen-Pranger

    Und wieder ein Beweis dafür, wer sich als "Experte" so in Ministerien und anderen "hohen" Ämtern herumdrückt: Flaschen!

  • R
    Reignman

    die sollen sich mal nicht so aufregen. ich habe letztes jahr abitur gemacht und meine matheprüfung war eine einzige unlösbare aufgabe. trotzdem fünf punkte zusammenzukratzen ist mmn aller ehren wert. da fühle ich mich von diesem offensichtlichen mathe-nerd brüskiert ;)

  • M
    Martin

    Ich muss archimedes zustimmen. Insbesondere weil bei einem dezentral gestellten Abitur es viel häufiger vorkommen kann, dass eine Aufgabe falsch ist, da viel mehr Aufgaben gestellt werden und überprüft werden müssen. Dies trifft dann aber nur wenige Schüler und diese haben dannach eine schlechtere Rechtsposition, als wenn ein solcher Vorfall durch die nationale Presse geht.

  • M
    Max

    Das Zentralabitur ist schlecht? Interessante Meinung, meine Herren. Wie sollte man denn dann in Zukunft in einer anderen Stadt ein NC-Fach studieren? Wozu braucht man dann überhaupt ein Abitur? Total absurd, eigentlich ist es viel schlimmer, dass es in Deutschland kein einheitliches Abitur gibt. Außerdem ist es immer blöd, wenn Schüler von einem ins andere Bundesland umziehen müssen, weil es kein einheitliches System gib. Die Eltern hingegen müssen flexibel sein und ihrer Arbeit hinter herziehen?

     

    Ich würde sagen: 6, setzen! Das kann doch nicht passieren! Aber ich habe erst vor kurzem Abi geschrieben und habe festgestellt, dass diese Gremien manchmal ziemlich wenig Dunst haben von eindeutigen Aufgabenstellungen.

     

    Ich glaube man muss jetzt anbieten, dass die Schüler sowohl komplett nachschreiben dürfen, als auch die Aufgabe nicht bewerten lassen und zusätzliche Lösungswege akzeptieren. Kann ja eigentlich nicht wahr sein.

  • A
    archimedes

    Aus diesem - extrem peinlichen - Vorfall die Abschaffung des Zentralabis als praktische Schlussfolgerung zu ziehen, ist eine noch peinlichere mentale Fehlleistung.

     

    Das Zentralabi hat Vorteile (z.B. bessere Vergleichbarkeit der Noten) und Nachteile. Hier ist einer der Nachteile zur Geltung gekommen. Daraus ist noch lange nicht rational zu schließen, dass die Nachteile überwiegen.