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Emotional verkleistern

■ betr.: "Die ganze Stimmung ist im Eimer" , taz vom 20.10.90

betr.: „Die ganze Stimmung ist im Eimer“, taz vom 20.10.90

Oskar Lafontaine hatte bekanntlich seinen Rücktritt angeboten. Die SPD hätte ihn annehmen können, auf die Wahl eines neuen Kandidaten verzichten und mit der Aussage in den Wahlkampf ziehen können: „Die Regierung macht die einzig richtige Politik, wir hätten im wesentlichen alles genauso gemacht; selbstverständlich übernehmen wir auch die Mitverantwortung für alle Folgen der Regierungspolitik. Wir möchten dies gerne als Partner in einer Riesenkoalition tun, sind aber auch bereit, Herrn Kohl aus der Opposition heraus tatkräftig zu unterstützen.“ Das wäre zwar ein einmaliger Vorgang, aber wenigstens ehrlich gewesen.

Wie soll die Gruppe um Lafontaine die Bevölkerung in der ehemaligen DDR denn von der wirtschaftlichen Kompetenz des Kandidaten überzeugen, wenn just zu dem Zeitpunkt, wo die Analysen Oskar Lafontaines sich zunehmend als richtig erweisen, bekannte Sozialdemokraten nicht müde werden zu beteuern, nicht die Bundesregierung sondern einzig und allein die SED sei schuld an dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, die frühzeitige Währungsunion sei die einzig richtige Entscheidung gewesen und die Konzepte des eigenen Kanzlerkandidaten hätten, wären sie verwirklicht worden, das ganze Elend nur noch vergrößert?

Das einzige, was mir an diesem ganzen Verein noch imponieren könnte, wäre die Bereitschaft, vor die Wähler zu treten und zu erklären: „Jawohl, wir sind in der Deutschland-Frage zutiefst zerstritten, konnten uns aber für die Zukunft des vereinten Deutschlands auf folgende Konzepte einigen...“ Aber man wird sicher weiter versuchen, alles emotional zu verkleistern. Christa Schneider, Wuppertal

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