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Embargo zeigt Wirkung

■ Doch die Zeit könnte für Saddam Hussein arbeiten

Bagdad (adn/dpa) - In den Abendstunden des Wochenendes klopfte es an fast allen Haustüren in Bagdad. Der Besucher kam im Auftrag der Baath-Partei von Präsident Saddam Hussein. Seine Botschaft: Grundnahrungsmittel, vor allem Mehl, Zucker und Reis, gebe es ab sofort nur noch in beschränkter Menge und in ausgewählten Geschäften zu kaufen. Am Samstag begann die Lebensmittelrationierung. Die Sanktionen gegen den Irak beginnen jetzt zu schmerzen. „Aber wieviel Schmerz nötig ist, um die Dinge zu ändern - das ist die entscheidende Frage“, meint ein westlicher Diplomat in Bagdad. Irakische Verbraucher, die anonym bleiben wollten, sprechen von zunehmender Frustration, aber auch von Unverständnis gegenüber der westlichen Welt.

Die Weizenvorräte des Irak reichen nach Schätzungen für 240 Tage. Zucker und Reis, die in großen Mengen importiert werden, sind Mangelware im Land und die Versorgung des Irak mit frischen Früchten könnte schon heute ganz zusammenbrechen. Aber das Land hat große Mengen an Frischfleisch - schätzungsweise neun Millionen Schafe grasen auf irakischem Boden - und kann sich mit frischem Gemüse fast völlig selbst versorgen.

Für viel verwundbarer halten Diplomaten die Ersatzteilversorgung des Landes. „„ie haben hier keine Ersatzteillager“, erklärt ein asiatischer Diplomat in Bagdad, „innerhalb eines Monats wird die Infrastruktur im Irak auseinanderfalen.“ Die Flucht Zehntausender von Lohnarbeitern aus Ägypten und Somalia ist in den Straßen von Bagdad unübersehbar. Vor den Häusern türmt sich der Müll oft tagelang - und das in einer Stadt, die einmal mit der Präzision eines Uhrwerks funktioniert hat. Die Bewohner klagen.

„Aber es kommt darauf an, wen sie dafür verantwortlich machen - Hussein oder Präsident Bush“, unterstreicht ein westlicher Diplomat. „Sie möchten wissen, warum die ganze Welt gegen sie ist. Sie können nicht verstehen, daß dieses kleine Stück Sand, das sie für ihr Eigentum halten, den ganzen Ärger wert ist“, faßt ein arabisch sprechender Ausländer die Stimmung zusammen. Westliche Diplomaten in Bagdad glauben, daß die Zeit für Saddam Hussein arbeitet. „Je länger Bush wartet, um so mehr steigen die Chancen, Lebensmittel und Medikamente als humanitäre Hilfe in den Irak zu bringen“, vermutet einer.

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