Elitenforscher über Chancen von Frauen: „Heiraten ist keine Lebensstrategie“
Am Donnerstag soll Ursula Piëch, die Ehefrau von Ferdinand Piëch, in den Aufsichtsrat von VW gewählt werden. Elitenforscher Michael Hartmann über Aufstieg durch Heirat und Erbe.
taz: Herr Hartmann, Ursula Piëch, Ehefrau des VW-Lenkers Ferdinand Piëch und früheres Kindermädchen der Familie, soll in den Aufsichtsrat des Konzerns gewählt werden. Wie oft kommt so eine Karriere vor?
Michael Hartmann: Sehr selten, das sind große Ausnahmen. Es gibt einige solcher Fälle wie Friede Springer, Witwe des Verlegers Axel Springer, oder Liz Mohn vom Bertelsmann-Konzern. Die Frauen sind die dritte, vierte oder fünfte Ehefrau eines reichen und einflussreichen Unternehmers.
Warum steigt nicht die erste Frau des starken Mannes auf?
Die erste Ehefrau wird in der Regel standesgemäß geheiratet, beide Partner bleiben im eigenen Milieu. Die erste Frau erfüllt die klassische Funktion, die Gattinnen in diesen Kreisen haben: Sie kümmert sich um die Kinder, den Haushalt und die Gäste. Wenn die Kinder groß sind, braucht es diese Rolle aber nicht mehr, und manche Männer suchen dann nach einer Frau, die anders ist.
Ursula Piëch und Liz Mohn kommen aus einfachen Verhältnissen und hatten keinen Uni-Abschluss. Aber sie haben viel gelernt und können heute großen Konzernen vorstehen. Kann doch jede alles werden?
Der 59-Jährige ist Soziologe an der TU Darmstadt und als Elitenforscher bekannt.
Die Möglichkeit, sich einen Aufstieg zu erheiraten, steht selten einer Frau offen und eignet sich nicht als Lebensstrategie.
Heute braucht man eine exzellente Ausbildung und beste Zeugnisse?
Beides ist heute für jede Karriereplanung dringend nötig. Unabhängig davon werden in den Familienunternehmen hohe Posten „vererbt“. Früher bekamen die die Söhne oder Schwiegersöhne, wenn es keinen Sohn gab. Neu ist, dass heute auch Töchter an die Stelle ihrer Väter treten. Der Weg übers Erben ist noch immer erfolgversprechender als der übers Heiraten.
Es gibt aber immer noch Frauen, die „gut heiraten“.
Ja, aber deren Weg sieht anders aus. Frauen von Spitzenmanagern haben in der Regel studiert. Was früher die Krankenschwester, das Kindermädchen oder die Sekretärin war, ist heute die Lehrerin oder die Wirtschaftswissenschaftlerin. Der allgemeine Anstieg des Bildungsniveaus schlägt sich auch hier nieder.
Spricht das für die Durchlässigkeit des Bildungssystems?
Das spricht eher für eine allgemeine Bildungsexpansion. Fast die Hälfte der jungen Menschen geht heute zur Hochschule. In meiner Generation war das jeder Zehnte. Gleichzeitig sind die Chancen für soziale Aufsteigerinnen und Aufsteiger jedoch nicht parallel gestiegen. Es gibt heute einfach mehr Frauen und Männer mit Hochschulabschluss. Aber bei der sozialen Rekrutierung von Spitzenmanagern hat sich nicht viel verändert. Hier bleibt man nach wie vor weitgehend unter sich.
Sie sagen, Stil, Verhalten und das Erkennen von Codes wird einem in die Wiege gelegt, das kann man nicht erlernen. Ursula Piëch und Friede Springer haben sie aber gelernt.
Durch den sehr intimen Kontakt zur elitären Welt haben diese Frauen die Codes natürlich verinnerlicht. Wenn jemand jahrzehntelang den gesamten Tagesablauf und den Umgang mit Gästen mitbekommt, ist das fast vergleichbar mit einer Kindheit in einem solchen Hause. Davon ist jemand im mittleren Management meilenweit entfernt. Unabhängig davon hat Eigentum ohnehin seine eigenen Gesetze.
Was heißt das?
Den Frauen, die in Unternehmerdynastien eingeheiratet haben, kann es egal sein, ob sie die Codes beherrschen oder nicht und was andere von ihnen denken. Ihnen gehört die Firma, sie können machen, was sie wollen.
Machen die aufgestiegenen Frauen in den Familienkonzernen diese wertvoller?
Nein. Die meisten dieser Frauen halten sich aus dem operativen Geschäft heraus.
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