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Elfenbeinküste vor PräsidenteninaugurationOuattara feiert sich und den Frieden

40 Tage nach der Festnahme von Expräsident Gbagbo wird am Samstag der neue Staatschef Ouattara feierlich ins Amt eingeführt. Er muss ein gespaltenes Land versöhnen.

Amtseinführung am Samstag: der ivorische Staatspräsident Alassane Ouattara. Bild: ap/dapd

BERLIN taz | Am Samstag will die Elfenbeinküste beweisen, dass die Zeiten der Gewalt vorbei sind. Alassane Ouattara lässt sich in der ivorischen Hauptstadt Yamoussoukro als Präsident vereidigen - ein knappes halbes Jahr nach der Wahl vom 28. November 2010, die das Land in einen blutigen Bürgerkrieg mit über 3.000 Toten geführt hatte.

Ouattara gewann mit 54 Prozent der Stimmen, aber Amtsvorgänger Laurent Gbagbo hielt an der Macht fest; Ouattara-treue Rebellen aus dem Norden der Elfenbeinküste eroberten schließlich die Metropole Abidjan und nahmen Gbagbo nach mehreren Wochen schwerer Kämpfe am 11. April fest. Am 5. Mai erklärte das bislang Gbagbo-treue Verfassungsgericht Ouattara offiziell zum Präsidenten und setzte die Amtseinführung zum 21. Mai an - genau vierzig Tage nach Gbagbos Festnahme, entsprechend der in Afrika verbreiteten Trauerzeit nach Todesfällen.

Man sei vom Satan besessen gewesen, gab Verfassungsgerichtspräsident Paul Yao Ndré jetzt als Begründung dafür an, warum er vorher Gbagbo für den Wahlsieger gehalten hatte. Es war eine typische Äußerung für die Art, wie die Elfenbeinküste ihre tiefe Spaltung zu überwinden versucht: Man erklärt einfach die jüngste Vergangenheit zu einem pathologischen Ausrutscher. Unversöhnlichkeit und Hetze prägten monatelang die politische Debatte, und plötzlich reden alle von Versöhnung. Aber noch Anfang Mai wurde in Abidjan gekämpft und flüchtige liberianische Milizen im Solde Gbagbos töteten 220 Menschen.

Nach seiner Amtseinführung wird sich Ouattara nächste Woche um die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit bemühen. Aber ob Gbagbos Partei FPI (Ivorische Volksfront) mitmachen will, ist unklar. Zahlreiche FPI-Kader sind ins benachbarte Ghana geflohen, viele müssen Strafverfolgung befürchten - allen voran Expräsident Gbagbo sowie seine Ehefrau Simone, die im nordivorischen Korhogo unter Hausarrest stehen. Pünktlich zur Amtseinführung zirkulieren Gerüchte über Putschvorbereitungen aus Ghana.

Internationale Hilfe

Viel spekuliert wird über Guillaume Soro, Führer der früheren nordivorischen Rebellen FN (Forces Nouvelles) und Premierminister zunächst unter Gbagbo und dann unter Ouattara. Soro organisierte sowohl letztes Jahr die Wahlen als auch dieses Jahr die militärische Durchsetzung des Wahlergebnisses. Er gilt als Hardliner, aber ihn auszutauschen könnte für Unmut in der FN sorgen, deren historischer Führer Ibrahim Coulibaly am 27. April in Abidjan erschossen wurde. Ouattara wandelt politisch auf einem schmalen Grat.

Hauptstütze des Präsidenten ist nach wie vor die internationale Staatengemeinschaft, die in Form von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und zahlreichen afrikanischen Staatschefs am Samstag in Yamoussoukro mitfeiern wird.

Auf internationale Hilfe zählt Ouattara auch bei der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen der jüngsten Zeit, für die beide Lager Verantwortung tragen. Am Mittwoch bat Ouattara schriftlich den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Ermittlungen in der Elfenbeinküste aufzunehmen. Eine am 14. Mai gegründete Wahrheitskommission unter Expremierminister Charles Konan Banny hat ihre Arbeit noch nicht aufgenommen.

Die Feier am Samstag wird nach ivorischen Medienberichten der größte Staatsakt der Elfenbeinküste seit dem Begräbnis des Staatsgründers Félix Houphouët-Boigny im Dezember 1993. Nach allgemeiner ivorischer Ansicht stürzte der Hahnenkampf zwischen Politikern nach Houphouët-Boignys Tod die Elfenbeinküste in die Krise und schließlich in den Krieg. Jetzt, fast achtzehn Jahre später, soll sich der Kreis schließen.

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9 Kommentare

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  • AA
    Andreas Ackermann

    Das Bedauerliche fuer mich ist, dass die Spaltung zwischen Gbagbo- und Ouattara-Hassern nahezu unueberwindlich ist.

     

    Die im Vorfeld der zweiten Runde der Wahl wieder aufgegriffenen Hasskampagnen von beiden Lagern hat ihr Ergebnis nicht verfehlt und der Glaube, dass die jeweils andere Seite quasi den Teufel selbst verkoerpere, sitzt tief und durchdringt selbst in Deutschland von Ivorern Angeheiratete.

     

    Meine Hoffnung haelt sich in recht eng gefassten Grenzen.

  • RP
    ralph podzwadowski

    (Immernoch!!)Keine Feiern von der IVORISCHEN Bevölkerung??

    NIRGENDWO in der Elfenbeinküste, NACHDEM diese angeblich "befreit" wurden, von einem angebl. "massengräber schaufelnden, zum genozid hetzenden und zivilbevölkerung ermordenden Diktator"????

    Ist in den Augen der internationalen Staatengemeinschaft bzw. deren Repräsentanten wohl auch nicht nötig, die lieber die geschehenen und immernoch weiter vollzogenen Untaten und Greuel befeieren und legitimieren.

    Wer diese Realitäten umdeutet ist wahrhaft ein "Visionär", aber es ist einfach nur traurig und sehr deprimierend.

    COTE D`IVOIRE, COTE D`IVOIRE und Menschenrechte für ALLE( auch für die, ohne internationale Lobby)

  • 1
    1-Gaou

    @Jochen Braun: wenn Sie das Land so gut kennen, wie Sie es vorgeben, dann hätten Sie wissen müssen, was für einer mit Ouattara an die Macht gehebelt wird! Dass Sie auf dem Auge "Duekoue" blind sind, ist offensichtlich. Dass Ouattara geschickt versucht hat, den ganzen Norden aufzustacheln, ist Ihnen auch entgangen? Und dass die Aggressionen jeweils von Ouattara's Rebellen (oder wie sie sich sonst nennen: FN, Forces Republicaines usw) ausgingen, ist Ihnen ebenfalls nicht bekannt? Ouattara hat keine Chance verdient, sondern eine Anklage am Internationalen Gerichtshof, die Verhandlung kann ja mit der gegen Gbagbo verknüpft werden und dann können wir ja vergleichen, wer von den beiden wieviele Menschen auf dem Gewissen hat? Das wäre doch ein Vorschlag zur nationalen Versöhnung? Gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle?

  • AS
    Alain Sita

    Ouattara ist ein Verbrecher. Seine Handlungen sind strafbar. Wenn die Europäer denken, sie sind für ihn, aus diesem Grund ist er frei. In diesem Fall bleibt die europäische Demokratie nazistisch und beschämend. Das Land ist völlig zerstört , beweint das Volk seine Toten, die von Sarkozy und UN verursacht wurden mit ihren Bomben. Heute feiern die Nazis nur einen Sieg über die Elfenbeinküste, aber nicht mit den Ivorern selbst. Viele leben immer noch im Busch ohne Essen und Wasser. Welcher Präsident kann feiern und über Frieden reden, wenn sein Volk weiter umgebracht wird? Sind wir sicher, ob dieses Demokratie-Model (France-Afrique) von Dauer sein wird?

  • L
    lememe

    Pourquoi la cour pénale internationale ne se préoccupe que des violences commises dans le sud de la Côte d'Ivoire et oublie les massacres à grande échelle commises par les rebelles?

    pourquoi la France "patrie des droits de l'homme" est-elle si prompte à aider les rebelles à chasser un chef d'état alors qu’auparavant celui-ci l'avait demandé de l'aider à maîtriser cette rébellion?

    Pourquoi en 2000 n'avons nous pas vu tous ces chefs d'états venir à la rescousse de la Côte d'Ivoire alors qu'aujourd'hui ils sont si prompte à venir à cette célébration?

    Pourquoi deux poids deux mesures?

  • JB
    Jochen Braun

    @Jochen Sturm: Ich kenne die Cote D'Ivoire seit den frühen 90er Jahren und konnte die Vorgehensweise von Politikern wie Gbagbo, Bedie und anderen lange vor ort beobachten. Gbagbo und seine Junta haben in der CI den Rassismus zur Staatspolitik erhoben, haben Schuld an der Spaltung des Landes und am jahrelangen Krieg.

    On Ouattara den demokratischen Wandel und eine Versöhnung schafft wird sich zeigen müssen, verdient hat er die Chance allemal. Ganz im Gegensatz zu Gbagbo, der die letzten Jahre mehr mit Spaltungsversuchen, Machterhalt und nicht der Entwicklung des Landes beschäfftigt war.

    ONUCI ist mehrmals von Gbagbos Jugendliga massiv, teils auch mit Schuffwaffen angegriffen worden. Dass bei der UN sich daher die Symphatien für Gbagbo in Grenzen halten ist klar.

    Ob Ouattara besser ist als Gbagbo wird sich zeigen, schlimmer kann er kaum sein!

  • GS
    Gunnar Sturm

    Die Demokratie hat verloren: das was derzeit in Elfenbeinküste geschieht ist nicht die Politik der RDR (eine seriöse,liberale Partei an der Seite Ouattaras).

    Ouattara hat sich zum Spielball der Rebellen und Frankreichs gemacht. Ohne Schutz von UNOCI und LICORNE kann er sich nicht an der Macht halten!

  • GS
    Gunnar Sturm

    Das ist ein Trauertag für die Demokratie...aufgrund von zweifelhaften Wahlen wurde mit schweren Waffen und mittels diplomatischen Putsch, ein Regime Change erzwungen.

     

    Ouattara ist der Wunschkandidat Frankreichs, wer sich den Verlauf der Geschichte, von der Meuterei im Norden ... über das Friedensabkommen von Ouagadougu bis zum militärischen Finale (durch LICORNE / UNOCI und Force Nouvelle) nachzeichnet, kann erkennen welche und wessen Interessen da durchgesetzt wurden.

     

    Frankreich und UNO haben viel Schuld auf sich geladen.

    Und der Artikel zeichnet es schon vor: SORO wird das nächste Bauernopfer sein!

  • A
    andreas_fecke

    Herr Johnson,

     

    mit Verlaub,

     

    aber so bewerben Sie sich bitte beim Spiegel.

    Elfenbeinküste, Ouattara: seit drei Wochen nur halbwegs am Hebel.

    Und schon kommen die nordischen Experten mit ihrer Abflacherei, ohne auch zumindest die 100 Tage zu respektieren.

     

    Sie sind einverstanden, dass ich aufgrund besonderer Umstände in Cote d'Ivoire sage: Nach 200 Tagen Ouattara, also gegen Weihnachten, sehen wir uns wieder - ich Sie hoffentlich mit einem korrkten Artikel.