: Elektronische Schweinebucht für die USA?
Fidel Castro gewinnt die erste Schlacht im „Ätherkrieg“ mit den USA / Der aus Florida sendende Fernseh-Propagandakanal „TV Marti“ wurde von Kuba erfolgreich gestört / Castro redete letzte Woche in Florida auf Mittelwelle drei Stunden ■ Aus Washington Rolf Paasch
Die meisten KubanerInnen verschliefen in der Nacht zum Dienstag die jüngste amerikanische Attacke. Doch Fidel Castros Radiokrieger waren hellwach. Nur zehn Minuten nachdem die erste Versuchssendung des von der Küste Floridas ausgestrahlten „TV Marti“ in Havanna landete, wurde das Signal auch schon von der einheimischen Ätherverteidigung erfolgreich gestört. Ganze 10.000 Dollar, so schätzen Experten, hat die technische Ausrüstung gekostet, mit der Kuba das 7,5-Millionen-Dollar-Projekt zur Verbreitung kapitalistischer US-Wahrheiten in Havanna und Umgebung zum Schweigen brachte.
Mit Soap-operas
gegen Revolutionäre
TV Marti ist der jüngste Versuch der USA, diesmal über Fernsehpropaganda, das zu erreichen, woran in der Vergangenheit Killerkommandos der CIA und Landetruppen der US-Marines gescheitert waren: die Beseitigung Fidel Castros. Nachdem „Radio Marti“ - benannt nach dem kubanischen Unabhängigkeitskämpfer aus dem 19. Jahrhundert - bereits seit fünf Jahren von Floridas Gestaden aus feindliche Ätherwellen gen Kuba schickt, konnte die in Washington einflußreiche Lobby der Exilkubaner den Kongreß 1987 auch noch zur Finanzierung einer ergänzenden Fernsehstation überreden. Waren es am ersten Sendetag nur Musikvideos, spanische Soap-operas und Quizshows, deren zerfetzte TV -Schatten in der letzten Bastion des Kommunismus zu erahnen waren, so soll nach einer dreimonatigen Versuchszeit auch ein abendliches Nachrichtenprogramm nach Kuba ausgestrahlt werden. Bisher jedoch hat das jüngste Produkt der Obsession Amerikas mit dem „kommunistischen Diktator“ nur für Ärger gesorgt. Selbst überzeugte Antikommunisten räumen ein, daß die Benutzung einer den Kubanern zustehenden Sendefrequenz für TV Marti gegen internationales Recht verstößt - und damit zu weit geht. Anwohner des Bundesstaates Florida befürchten, daß die ausgestrahlten TV-Signale bei bestimmten Wetterlagen den Empfang lokaler US-Fernsehstationen beeinträchtigen könnten. Und Meteorologen halten es für wenig glücklich, den TV-Marti-Sender ausgerechnet in einem Hurrikangebiet auf einem in 3.000 Meter Höhe schwebenden „Aerostat-Ballon“ zu installie ren.
Bereits vor seiner Premiere hatte TV Marti das bewährte Bruderprojekt Radio Marti, welches auf legaler Frequenz sendet, in eine schwere Krise gestürzt. Weil er das Fernsehprojekt für unsinnig hielt, wurde Radio-Marti -Direktor Ernesto F. Betancourt in einer Palastrevolution kurzerhand strafversetzt. Den ihm angebotenen Posten in der Forschungsabteilung der „U.S. Information Agency“ (USIA), dem amerikanischen Propagandaministerium, das neben Radio und TV Marti auch die „Voice auf America“ beaufsichtigt, lehnte er jedoch dankend ab.
Hinter dem Sturz Betancourts und dem Plan für TV Marti steht die in Miami ansässige „Cuban National Foundation“ des Bauunternehmers Jorge Mas Canosa, der sich schon als Nachfolger Castros sieht. Betancourt behauptet, er sei von Mas, der auch im Aufsichtsrat von Radio Marti sitzt, gestürzt worden, weil er der Kontrolle des Senders durch die Organisation der Exilkubaner im Wege gestanden habe. In Florida und besonders der Drogenmetrople Miami tummeln sich nicht nur viele ExilnicaraguanerInnen, sondern dort sitzen schon länger geschätzte 700.000 ExilkubanerInnen samt Nachkommen.
Während die in Miami schon mit internen Machtkämpfen für die Rückkehr nach Havanna proben, demonstrierte Fidel noch einmal die telekommunikative Macht seines Regimes. So staunten die MittelwellenhörerInnen Floridas nicht schlecht, als sie in der letzten Woche statt des Unterhaltungsgedusels auf der gewohnten Frequenz ihres Lokalsenders drei Stunden lang den revolutionären Wortschwall des guten Fidel hören konnten.
Technisch, das hat Castro bereits angedeutet, wäre Kuba sogar dazu in der Lage, den Amerikanern mit elekronischen Störmanövern daheim einen totalen Fernsehsalat zu bereiten. So sprechen denn nach anfänglicher Euphorie über das vermeintlich neue Propagandainstrument TV Marti selbst einige Exilkubaner hinter vorgehaltener Hand bereits von einer „elektronischen Schweinebucht“.
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