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Archiv-Artikel

Elektro-Schafe für Bern

In Neuss findet am Wochenende ein Mongolenfest statt. Anlass ist die Preview des in der Stadt lebenden Schweizer Künstlers Thomas Huber, der eine Großskulptur für eine Berner Klinik gebaut hat

VON LUTZ DEBUS

Die Mongolei liegt irgendwo bei Neuss. Im einem trostlosen Gewerbegebiet wird am Wochenende zwischen rostigen Bahngleisen und verfallenen Lagerhallen ein Jurtenfest gefeiert. Ausgerechnet CDU-Bürgermeister Herbert Napp lädt seine Bürger zu gegorener Stutenmilch und Folklore ein. Warum die erzkonservative Stadt mit ihrem maroden Kulturetat das exotische Fest mitfinanziert, bleibt auf den ersten Blick verschlossen.

Denn die Schamanenkulte, die am Samstagabend an den offenen Feuerstellen vollzogen werden, passen nicht so recht in das katholisch geprägte rheinische Städtchen. Auf offenem Feuer wird dann traditionell Tee bereitet. Es findet eine Baumweihe statt. Mongolische Pferdekopfgeigenspieler treten auf. Ein erst 15 Jahre alter Weltmeister im mongolischen Bogenschiessen wird seine Künste vorführen. Der wahre Grund: Drei futuristische Jurten aus Stahl und Alu-Schafe als Handwärmer. Der Schweizer Künstler Thomas Huber hat sie gebaut und zeigt sie in seiner Wahlheimat, bevor sie als Kunst am Bau nach Bern zum Uni-Inselspital transportiert werden. Dort war es anfangs schwierig einen Ort für die Skulptur zu finden. „Über allem schwebte der Geist der High-Tech-Medizin“, sagt Huber. Die Verantwortlichen fühlten sich wie an der Spitze der Evolution. Um dem Geist etwas entgegen zu setzen, kam Huber zu dem Schluß: Kunst muss hier nomadisch sein. Mongolen seien doch ein vortrefflicher Kontrast zu der beherrschenden Nanotechnik. „Damals träumte ich noch von hunderten Jurten auf dem Gelände der Berner Universitätsklinik, in denen die Kranken fast wie von selbst geheilt werden“, sagt der Künstler heute.

Ein erster Versuch mit Originaljurten scheiterte, denn der Kölner Händler konnte nur wenige Exemplare besorgen und die stanken noch infernalisch nach Ziege und Schaf. Danach wollte Huber die Nomadenzelte lieber aus Holz bauen. Doch versierte Schreiner erklärten ihm, dass man mit den hier vorhandenen technischen Möglichkeiten nicht weiter komme. Alles wäre zu schwer geworden. Das Vorhaben drohte zu scheitern. Da lernte Thomas Huber den Neusser Metallbauer Harry König kennen.

Jetzt sehen die Kunst-Objekte wie gebogene silberne Jägerzäune mit kegelförmigen Dächern aus. Die kleinste der Stahlkonstruktionen soll mit Tonkrügen gefüllt werden und eine Vorratsjurte symbolisieren. Die größte bleibt leer. Sie soll als Versammlungsraum dienen. An den spalierartigen Wänden des Zeltes werden spezielle Teppiche befestigt, grosse filigrane Ornamente aus Neonröhren leuchten in der Dunkelheit. In Essen wurden die Glasröhren in mühseliger Kleinarbeit nach den Vorlagen von Thomas Huber gefertigt. In der dritten Jurte wohnen die Schafe und Ziegen. Die sind allerdings nicht aus Fleisch und Blut sondern aus Aluminium – und elektrisch beheizbar. „Die Patienten in Bern können sich dann im Winter bei Spaziergängen über das Gelände in der Tierjurte an den Aluminiumschafen die Hände wärmen“, sagt Huber.

Für die Preview in Neuss gab es dann nur noch ein Problem – für den Caterer mit dem mongolischen Essen. Natürlich konnte das angeheuerte Unternehmen, das ansonsten für Düsseldorfer Messegäste Fingerfood zubereitet nicht einfach aus einem altersschwachen Hammel – wie in der Mongolei üblich – einen Eintopf zaubern. „Das würde auch der hartgesottenste Rheinländer nicht vertragen“, sagt Küchenchef Norbert Wieferich, plötzlich mit einer völlig anderen Kultur konfrontiert. Das Ergebnis: „Unser Angebot wird mit mongolischer Küche so viel zu tun haben wie das Menü eines Chinarestaurantes mit ursprünglicher fernöstlicher Küche.“

Heerdterbuschstraße, Neuss Ab 16. Juni, 19:00 Uhr