Elbvertiefung: Kampf gegen die Fahrrinnenanpassung
Umweltverbände legen ihre ablehnenden Stellungnahmen gegen das Projekt vor. Hamburg und der Bund halten am Vorhaben fest. Bis 2013 soll der Fluss für fast 400 Millionen Euro ausgebaggert worden sein.
Die Ablehnung ist eindeutig. Auch nach der Überarbeitung der Pläne für die Elbvertiefung sei das Vorhaben "umweltrechtlich nicht genehmigungsfähig und angesichts der Möglichkeiten einer Hafenkooperation überflüssig", stellt Manfred Braasch, Geschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Hamburg, fest.
Zudem verschlechtere "die weitere Kanalisierung der Elbe" die Sauerstoffverhältnisse im Fluss, damit nehme die Gefahr von Fischsterben zu, sagt Heike Vesper von der Umweltstiftung WWF. "Eine Vertiefung, die zu einer derartigen Verschlechterung der ökologischen Situation führt, verstößt gegen das Europäische Naturschutzrecht."
Beide Umweltverbände haben am Freitag eine gemeinsame Stellungnahme zu der Planauslegung für die Elbvertiefung vorgelegt (siehe Kasten). Auf 32 Seiten werden detailliert die ökonomischen und ökologischen Bedenken thematisiert. So sei die Ausbaggerung um durchschnittlich einen Meter überflüssig, weil ja für Schiffe mit besonderem Tiefgang gerade der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven gebaut werde. Es sei unsinnig, so BUND und WWF, mit Steuergeldern in Höhe von knapp 400 Millionen Euro dem Jade-Weser-Port einige wenige Containerschiffe "abzujagen". Dass eine norddeutsche Hafenkooperation jedoch "nicht sachgemäß geprüft" worden sei, sei ein Verfahrensfehler.
Die Unterelbe soll auf auf 120 Kilometer Länge zwischen Cuxhaven und Hamburg-Altenwerder um etwa einen Meter vertieft werden.
Ausbauziel: Containerfrachter mit einem Tiefgang bis zu 13,50 Meter sollen jederzeit den Hamburger Hafen anlaufen oder verlassen können. Ein Tiefgang von 14,50 Metern soll tideabhängig, also bei auflaufendem Wasser, möglich sein.
Ausbaumenge: Etwa 38,5 Millionen Kubikmeter Sedimente, fast ausschließlich Sand, sollen ausgebaggert und auf mehreren tiefen Flächen in der Elbmündung vor Brunsbüttel abgelagert werden.
Ausbaukosten: Die Gesamtkosten werden zurzeit mit rund 385 Millionen Euro angegeben. Davon trägt mit 248 Millionen Euro den größten Teil der Bund, auf Hamburg entfallen 137 Millionen Euro. Das ist rund ein Drittel mehr als die Ende 2006 von der Bürgerschaft bewilligten 102,5 Millionen Euro.
Massiv kritisieren die Verbände die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen. Diese seien "im Umfang ungenügend" und zudem teilweise "fachlich ungeeignet". So werde der Lebensraumverlust für den weltweit nur an der Tideelbe vorkommenden Schierlings-Wasserfenchel "deutlich zu gering angesetzt" und die Kompensationsfläche an den Nebenfluss Stör verlegt. "Das wird nicht funktionieren", so Braasch und Vesper: "Die Tideelbe würde um etliche ökologische Funktionen und flusstypische Lebensräume ärmer."
Die Stellungnahmen von WWF und BUND gehen in die Planfeststellung für die Elbvertiefung ein. Bis Ende Juni lagen die Unterlagen in Hamburg sowie in 48 Städten und Gemeinden entlang der Elbe in Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur Einsicht aus, bis zum 14. Juli müssen Einwendungen vorgelegt werden. Zum Jahresende wollen Hamburg und das Wasser- und Schifffahrtsamt des Bundes (WSA) den Planfeststellungsbeschluss erlassen und mit dem Baggern anfangen. Im Herbst 2013 soll die "Fahrrinnenanpassung" abgeschlossen sein.
Vor einem Jahr war das Planverfahren unterbrochen worden. Möglicherweise würde die Elbvertiefung in der seinerzeit geplanten Form an der Richtlinie Flora-Fauna-Habitat der EU scheitern, räumte der damalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ein. Die nun ausgelegten überarbeiteten Pläne würden dem EU-Umweltrecht genügen, glaubt Jörg Oellerich vom Projektbüro Elbvertiefung beim WSA: "Die Maßnahme ist jetzt rechtssicher."
Das sollte sie aus Sicht von Politik und Hafenwirtschaft auch sein, denn dass Umweltverbände gegen die Elbvertiefung vor Gericht ziehen werden, ist auch Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) klar: "Wir leben eben in einem Rechtsstaat." Braasch hält "eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss für wahrscheinlich", zumal die Planer eine weitere Alternative nicht hinreichend geprüft hätten. Der Hannoveraner Umweltberater Walter Feldt hatte vorgeschlagen, die Elbe nur um 50 Zentimeter statt um einen Meter auszubaggern. Diese "Elbvertiefung light" würde Kosten und ökologische Auswirkungen drastisch reduzieren, rechnet Feldt vor. Oellerich hält das für "groben Unfug". Ein ganzer Meter mehr sei notwendig, und Gedaschko fügt hinzu: "Wir nehmen das verdammt ernst."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus