Elbvertiefung auf dem Prüfstand: Baggerpläne drohen zu scheitern

In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stehen die Pläne zur Ausbaggerung der Unterelbe auf dem Prüfstand.

Für Riesenpötte wie diesen soll die Elbe ausgebaggert werden: Die „OOCL Brussels“ soll illustrieren, dass die EU in Brüssel bei der Elbvertiefung mächtig mitredet. Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Hamburg hat eine neue Baustelle: Die Medemrinne vor dem Nordufer der Elbmündung könnte sich als Sargnagel für die geplante Elbvertiefung erweisen. Das ist der Eindruck aus der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, das seit Montag und noch bis zum heutigen Mittwoch in letzter Instanz über die Planungen des Hamburger Senats und des Bundesverkehrsministeriums verhandelt: Die Baggerpläne könnten ins Wasser fallen.

Ein Gutachten von Ulrich Zanke, Professor für Wasserbau an der Technischen Universität Darmstadt, hat die Planungen von Stadt und Bund erschüttert. Die sehen im Mündungsgebiet des Flusses große Ablagerungsflächen vor, auf denen künstliche Sandbremsen den Flutstrom mindern und das Einspülen von Schlick in die Fahrrinne verhindern sollen. Maximal um sechs Zentimeter werde sich der Pegel auf St. Pauli durch die Elbvertiefung erhöhen, hatte die Bundesanstalt für Wasserbau (BWA) in Modellen errechnet, die Teil der offiziellen Planunterlagen sind. Diese Berechnungen fußen aus zweiwöchigen Modellrechnungen.

Zanke ließ seine Computer einen Zeitraum von sechs Jahren berechnen – mit dem Ergebnis, dass das BWA-Modell nach spätestens einem Jahr von der Elbe weggespült werden würde. Nach sechs Jahren würde der Pegel im Hamburger Hafen um 15 Zentimeter gestiegen sein – mehr als das Doppelte. Damit würden die Umweltauswirkungen vor allem auf Flachwasserbereiche völlig neu zu berechnen sein – sofern die Bundesrichter das verlangen. Welcher von beiden Expertisen der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts zuneigt, war in der Verhandlung am gestrigen Dienstag indes nicht zu erkennen. „Wir haben sehr gute Argumente“, beteuern Kläger wie Beklagte übereinstimmend.

Das Leipziger Gericht verhandelt bereits zum zweiten Mal über die umstrittene Elbvertiefung (siehe Kasten). Vor drei Jahren hatte es das erste Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um die verbindliche Interpretation der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) der EU gebeten. Diese Auslegung liegt seit dem Juli 2015 vor und besagt im Wesentlichen, dass der Gewässerschutz bei jedem Einzelprojekt verbindlich sei. Ausnahmen „im übergeordneten öffentlichen Interesse“ seien nur möglich, wenn „alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um negative Auswirkungen zu mindern“.

Die Fahrrinne der Unterelbe soll zwischen Hamburg und der Nordsee ausgebaggert werden.

Dafür müssen etwa 40 Millionen Kubikmeter Schlick mit Saugbaggern aus dem Flussbett geholt werden. Das entspricht rund 2,5 Millionen LKW-Ladungen.

Containerfrachter sollen künftig mit einem Tiefgang von 13,5 Metern den Hafen jederzeit anlaufen können, bei Hochwasser auch mit 14,5 Metern.

Ein Drittel der Kosten von voraussichtlich mehr als 600 Millionen Euro trägt Hamburg, zwei Drittel übernimmt der Bund.

Weitere rund 160 Millionen Euro für weitere Maßnahmen des Naturschutzes und der Deichsicherung muss Hamburg tragen.

Die Verschlechterung auch nur einer von mehreren biologischen Qualitätskomponenten, nach denen Gewässer in Güteklassen eingeteilt werden, führe zur Unzulässigkeit der gesamten Maßnahme – es sei denn, sie werde so wirksam ausgeglichen, dass insgesamt eine ökologische Verbesserung erreicht wird, so der EuGH. Und eben darauf setzt Hamburg.

Denn ökologische Verschlechterungen durch die inzwischen neunte Vertiefung der Unterelbe bestreitet nicht einmal die Wirtschaftsbehörde, aber sie betont den Nutzen. Denn die Vertiefung schaffe Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand in der Metropolregion, in der etwa 150.000 Jobs vom Hafen abhängig sind.

Den ökologischen Schaden bewerten die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF naturgemäß höher. Deshalb haben sie die Klage gegen das Vorhaben eingereicht, über die nun abschließend entschieden werden wird. 2014 hatten die Leipziger Richter bereits einen vorläufigen Baustopp verhängt, der bis heute andauert.

Über die Konsequenzen des EuGH-Spruchs zur Wasserrahmenrichtlinie begann das Leipziger Bundesgericht am Dienstag erst am späten Nachmittag zu verhandeln. Kläger wie Beklagte gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass dieses Thema auch den heutigen Mittwoch beherrschen würde. Ökologische Verschlechterungen könnten zum Beispiel den Holzhafen an der Norderelbe oberhalb des Hamburger Hafens. Dieser Flachwasserzone, ein wichtiges Brut- und Rastgebiet seltener Vogelarten, drohe durch die nächste Elbvertiefung eine massive Verschlickung, befürchten die klagenden Verbände. Die planenden Behörden hingegen bestreiten das.

Wie das Verfahren ausgeht, ist offen. Frühestens im Januar ist mit einen Urteil zu rechnen.

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