Elbphilharmonie in Hamburg: Noch einmal versuchen
Seit Jahren streiten sich die Stadt Hamburg und der Baukonzern Hochtief um den Bau der Elbphilharmonie. Jetzt wollen beide einen Neuanfang wagen.
HAMBURG dpa | Misstrauen – das war wohl die wichtigste Vokabel im Verhältnis zwischen der Stadt Hamburg und dem Baukonzern Hochtief in der Vergangenheit. Seit Jahren stritten sich beide Parteien um Kostenexplosionen und Zeitverzögerungen beim Bau der Elbphilharmonie, wobei jeder dem anderen, beziehungsweise dem Dritten im Bunde, den Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, den Schwarzen Peter zuschob.
Einige Zeit hielt sich sogar vehement das Gerücht, auf der Baustelle arbeiteten mehr Anwälte als Bauarbeiter. Trotzdem will die Stadt nach mehr als einjährigem Baustillstand nun wieder Hochtief vertrauen und einen Neuanfang mit dem Baukonzernwagen. Ein riskantes Unterfangen, gab es doch schon öfters Vereinbarungen, die später nicht eingehalten wurden.
„Vertrauen ist im Verhandlungsprozess ausreichend gewachsen“ - das war wohl der entscheidende Satz von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Samstag nach der Sondersitzung des Senats im Hamburger Rathaus. Trotzdem sei es eine schwere Entscheidung gewesen und er habe die vergangene Nacht kaum schlafen können.
„Emotional schwankt man da hin und her“, meinte der sonst so gefasst wirkende Hanseat. Für einen „neuen Pauschalfestpreis“ in Höhe von 575 Millionen Euro will Hochtief die Elbphilharmonie nun bis Herbst 2016 zu Ende bauen. Das sind 198 Millionen Euro mehr als bisher geplant und die Eröffnung verschiebt sich nochmals auf Frühjahr 2017.
Jetzt ist alles anders
Aber jetzt sei natürlich alles ganz anders als vor vier Jahren, als die damalige Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) im Dezember 2008 ebenfalls einen Festpreis von 323 Millionen Euro für die Elbphilharmonie versprach, den sogenannten Nachtrag 4. Jetzt übernehme Hochtief sämtliche Risiken für den Bau, sollte also etwas schiefgehen - und es kann noch eine Menge schiefgehen, der komplizierte Innenbau hat ja noch gar nicht begonnen - wäre die Stadt fein raus.
„Das bedeutet, dass die Risiken, die mit dem Bauwerk verbunden sind, komplett von unserem Vertragspartner übernommen werden und nicht mehr bei der Stadt sind“, meinte Scholz. Trotzdem warnte die Opposition bereits: Das Vertrauen auf einen Pauschalfestpreis habe sich schon einmal als Illusion erwiesen.
Ein Geburtsfehler des Prestigeprojekts konnte tatsächlich behoben werden: Hochtief will jetzt direkt mit den Architekten Herzog & de Meuron zusammenarbeiten, die Stadt ist außen vor und will nur noch beobachten. Bisher stand die Stadt immer zwischen beiden Parteien, die sich argwöhnisch belauerten und ihre Pläne nicht herausholten, weil sie fürchteten, die „Gegenseite“ könne diese später bei juristischen Auseinandersetzungen verwenden.
Vielleicht musste sich Scholz aber auch für eine weitere Zusammenarbeit mit Hochtief entscheiden, weil die Alternative noch schlechter für die Stadt und ihre Bürger gewesen wäre. Eine Fortführung des Projekts ohne Hochtief wäre die Stadt und damit den Steuerzahler vermutlich noch teurer gekommen - und die Elbphilharmonie wäre noch später fertig geworden.
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