Ela Kagel über Digitalstrategien: Gemeinwohl vor Profit

Über digitale Geschäftsmodelle, fehlende Bildung im digitalen Bereich und Verantwortung: Die Digitalstrategin und Gründerin Ela Kagel.

Eine Schnecke kriecht über eine Computertastatur.

Brauchen wir für eine bessere Zukunft mehr Bildung im digitalen Bereich? Foto: Uwe Zucchi/dpa

Interview von SHAYNA BHALLA

taz am Wochenende: Frau Kagel, Sie sind Mitgründerin von SUPERMARKT Berlin, einem Community-Hub. Dort arbeiten Sie an der Schnittstelle von digitaler Kultur und „neuer Ökonomie“. Wie sieht das konkret aus?

Ela Kagel: Wir begleiten Organisationen bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und Veränderungsprozessen. Ein Beispiel wäre die rein digitale Organisation „Circles“, die an einem Blockchain-basierten Grundeinkommen arbeitet, das für alle Mitglieder eine nachhaltige Versorgung schaffen soll. Bei vielen Projekten steht nicht nur der Profit im Vordergrund, sondern das Gemeinwohl, das über die einzelnen Akteure hinausgeht.

Sie unterstützen vor allem Organisationen, die soziale Projekte im Fokus haben?

Teilweise. Wir sind schon auch interessiert an Geld und verhelfen Organisationen zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Dazu sollten lokale Ökonomien jeglicher Art gefördert werden, damit die Wirtschaftskraft wieder dem örtlichen Gemeinwohl zugutekommt. In Berlin zum Beispiel, sehen wir eine kritische Infrastruktur in Lieferdiensten, Kurzzeitvermietungen, Clubs und der Gastrowelt. Dieser liegt das Interesse einer gesamten städtischen Community zugrunde.

Wenn etwas infrastrukturell so wichtig ist, können große Player wie Airbnb und Amazon der Plattformökonomie, die unsere städtische Infrastruktur nutzen, nicht die einzigen Antworten sein. Dadurch entsteht eine Konzentration von Macht, Daten und Geld, die es in der Geschichte noch nicht einmal ansatzweise gab.

taz-lab-Tickets

Der Ticketverkauf für das digitale taz lab am 24. April erfolgt über unser Ticketportal.

Wie immer greift unser solidarisches Modell mit Preisen zu 40€ (Normalpreis), 20€ (ermäßigter Preis) und 60€ (politischer Preis).

Die Tickets des taz lab 2020 gelten auch für das Jahr 2021. Kontaktieren Sie uns unter tazlab@taz.de oder warten Sie auf unsere E-Mail zur Übermittlung der digitalen Zugänge.

Das Programm für das digitale taz lab 2021 finden sie hier.

Gerade das Bewusstsein für Datensicherheit scheint zu fehlen.

Genau. Daten sind ein sehr großes wirtschaftliches Gut, das von vielen nicht als solches gesehen wird. Den meisten Leuten ist nicht klar, was bei der regulären Nutzung von Diensten wie PayPal an Daten übermittelt wird. Zudem wird eine Generation groß, die zwar mit diesen Technologien aufwächst, aber noch nicht genug darüber weiß. Das ist völlig verrückt, doch es mangelt an Bildung.

Wenn wir also einen Punkt erreichen, an dem Unternehmen wie Amazon mit unseren Daten künstliche Intelligenz trainieren, wir aber nicht genug darüber wissen, entsteht ein Phänomen mit einem Ausmaß, das man nicht mehr überblicken kann.

Wen sehen Sie in der Verantwortung?

Uns alle, aber vor allem die Politik. Sie muss die Plattformen regulieren. Doch häufig sitzen zu wenig Ex­per­t:in­nen in den zuständigen Gremien. Die deutsche Politik zeigt sich mit dem digitalen Raum oft überfordert. Im Gegensatz dazu setzt sich eine Audrey Tang, die Digitalministerin in Taiwan, dort mit an einen Info-Tisch im Einkaufszentrum, um Leute auf verschiedenen Ebenen zu erreichen. Sie kommt aus der Softwareentwicklung und sieht sich auch als Aktivistin.

Sieht es schlecht aus um unsere digitale Entwicklung?

In Berlin gibt es ein enormes netzaktivistisches Potenzial, von dem ich mir wünsche, dass es in den nächsten Jahren sichtbarer wird. Dieses Potential kann die Politik auf vielen Ebenen unterstützen.

Ela Kagel ist seit 20 Jahren als freie Digitalstrategin tätig. Sie berät Organisationen bei der Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle und Veränderungsprozessen in Teams. Seit 10 Jahren ist sie Geschäftsführerin von Supermarkt Berlin, eines Community-Hubs für Digitale Kultur und Alternative Ökonomien.