Eklat beim „Burschentag 2012“: „Die Austrittswelle hat erst begonnen“
Krise bei der Deutsche Burschenschaft: Liberale Bünde verlassen den „Burschentag 2012“, nachdem der umstrittene rechte Schriftleiter Weidner im Amt bestätigt wurde.
Die FDP Nordrhein-Westfalen will ihn wegen seiner extremen rechten Positionen ausschließen und die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt gegen Norbert Weidner, den Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter. Doch auf dem „Burschentag 2012“ der Deutschen Burschenschaft (DB) wurde er im Amt bestätigt. Seine Personalie sorgte für einen Eklat, der eine Rücktrittswelle auslösen könnte.
„Die rechtsextremen Burschenschaften haben sich durchgesetzt“, sagte Justus Libig, Sprecher der „Initiative Burschenschaften gegen Neonazis“. Am Samstag löste die DB, deren Burschentag noch bis Sonntag dauert, ihre Mitgliederversammlung aufgrund der Richtungsstreitigkeiten vorzeitig auf.
Mit 85 zu 76 Stimmen hatten die Burschenschaften Weidner bereits am Donnerstag im wichtigen Amt des Schriftleiters ihre auflagenstarken Blätter bestätigt. Aufgrund der Wahl und der nachfolgenden Diskussion über die Ausrichtung des DB verließen dann am Samstag liberale Burschenschaften enttäuscht die Veranstaltung.
Fast 600 Burschenschafter, darunter Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), hatten Weidner zuvor in einem Aufruf wegen jener Aussagen kritisiert, die auch die FDP und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen hatten. In einem Artikel hatte Weidner geschrieben, dass der NS-Widerstandskämpfer und Theologe Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ bezeichnet werden könne und dessen Hinrichtung „rein juristisch“ gerechtfertigt gewesen sei.
Das Ergebnis beim Misstrauensantrag gegen Weidner am Donnerstag offenbare die Kräfteverhältnisse innerhalb des DB, so Libig von der „Initiative Burschenschaften gegen Neonazis“. Jede Burschenschaft hat zwei Stimmen – von den 105 Bünden stimmten demnach nur 38 gegen Weidner.
Pressesprecher schmeißt hin
Nach dem Wahlergebnis legte der Pressesprecher der DB, Michael Schmidt, sein Amt nieder. Er gehört zu den liberalen Burschenschaftern. Der Verband, so Schmidt , sei in einem „schrecklichen Zustand“. Burschenschaftssprecher Christoph Basedow räumte ebenfalls ein, das mit diesem Ergebnis „große Teile des liberalen Flügels ein Problem“ haben.
Am Freitag traten aus dem liberaleren Spektrum schon keine Vertreter mehr bei den Vorstandswahlen an. Auch Kai Ming Au kandidierte nicht mehr. Gegen ihn hatte die „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“, zu der auch Weidner gehört, im vergangenen Jahr versucht, einen Antrag durchzusetzen, nach dem nur Männer deutscher Abstammung Mitglied einer DB-Burschenschaft werden dürften.
Insgesamt sollen 25 Burschenschaften den „Burschentag 2012“ in Eisenach verlassen haben. „Die Austrittswelle hat erst begonnen“, glaubt Libig. Viele würden die DB noch verlassen, darunter auch finanzstarke Burschenschaften. Ende des Jahres will die DB auf einem außerordentlichen Burschentag ihre Diskussionen fortsetzen, kündigte DB-Sprecher Basedow an. Und betonte: „Offiziell“ seien noch keine Austritte erfolgt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung