piwik no script img

Ekel und Einsamkeit

■ Die traurigen Lieder von Tocotronics Freunden Jonas – im Golden Pudel Club

Trauer ist ja eine Sache, die man jungen Leuten gerne abspricht. Noch grün hinter den Ohren, aber schon übers große Gefühl erzählen wollen – das paßt den alles kontrollierenden alten Säcken des Kulturbetriebs nicht in den Kram. Dabei kann natürlich gerade die adoleszente Perspektive eine Menge über Ekel und Einsamkeit verraten – und die Schönheit, die oft ganz unverhofft daraus erwächst. Ein gutes Beispiel dafür sind Tocotronic, die sich jetzt freuen dürfen, nicht mehr als die ewig jungen Exponenten der deutschen Popmusik herhalten zu müssen.

Durch eigenes Zutun. Denn auf ihrem selbstgeführten Label Rock-O-Tronic wird bald das erste Album einer Band mit dem schönen Namen Jonas erscheinen. „Die sind gerade mal 17 oder 19 oder so“, freut sich Dirk von Lowtzow. „Und sie kommen aus Wuppertal...“– „Oder aus Bad Bentheim“, meint Jan Müller.

Aber nein, sie singen nicht deutsch. Und was sind schon Jahreszahlen oder Ortsangaben oder Sprachzugehörigkeiten bei dieser Musik! Die drei Handvoll Songs, die gerade in Hamburg fertiggestellt wurden, kombinieren Palace Brothers und Nirvana, Codeine und Sebadoh. Alle möglichen Meister des Requiems also, die schon in jungen Jahren abgeklärte Analysen emotioneller Verhältnisse vorgelegt haben. Und so wie Tocotronic neuerdings Neil Young huldigen, dem alten Mann mit dem jungen Herzen, erweisen auch Jonas dem Songwriter-Übervater ihre Reverenz. In „Meek“, einem Hit mit der weihevollen Wucht von „Sie wollen uns erzählen“, werden auf der Mundharmonika die traurigsten Register gezogen. Andere Titel – „Suicide Sunday“etwa oder „Eat My Cancer“– lassen ebenfalls auf düstere Gemüter schließen.

Ansonsten gilt für Jonas: der Name Tocotronic darf bei ihnen fallen, schon weil ihr in ein paar Monaten erscheinendes Album von den Hamburgern produziert wurde – aber Nachmacher auf der Suche nach dem perfekten Zweizeiler sind Jonas keineswegs. Könnte eine riesige Sache werden.

Christian Buß

mit Spackomat-Soundsystem:

So, 11. Januar, 22 Uhr, Pudels

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen