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EiskunstlaufSteuer-Duo verteidigt WM-Titel

Aljona Savchenko und Robin Szolkowy verteidigen ihren WM-Titel. Hierzulande fehlt dem Eislauf-Paar dennoch die ganz große Wertschätzung.

Erfolgreich zum Sieg geschleudert: Robin Szolkowy und Aliona Savchenko. Bild: dpa

Kurz vor Mitternacht entwickelte sich ein kleines Zwiegespräch zum Thema Glück. Aljona Savchenko hatte sich auf dem Boden niedergelassen, dehnte ihre Muskulatur und meinte mit einem ungewohnten Hauch von Sanfmut, es gehöre Glück dazu, eines Tages gut genug zu sein, um Weltmeistertitel zu gewinnen. Ingo Steuer, der Trainer, saß auf einem Stuhl, hielt das goldfarbene Kästchen mit einer der beiden Medaillen aus echtem Gold in der Hand und widersprach: Nein, in erster Linie komme es auf harte Arbeit an. Das ging zwei, drei Mal hin und her, aber dann schwenkte er auf ihre Linie ein: "Doch stimmt, Glück gehört dazu - das Glück, dass wir uns gefunden haben."

Wäre es vor sechs Jahren nicht so gekommen, dann wäre Aljona Savchenko, 25, in der Ukraine inzwischen vielleicht am vierten oder fünften Partner auf dem Eis verzweifelt, hätte Robin Szolkowy, 29, längst frustriert die Schlittschuhe in den Keller gestellt. So weit war er ja eigentlich schon, als die ersehnte Partnerin seinerzeit auf Vermittlung eines deutsch-russischen Fotografen im Sommer 2003 auf einmal vor ihm stand.

Was daraus geworden ist, das war vor den Toren der Traumfabrik Hollywood aufs Schönste zu besichtigen, als die beiden zum zweiten Mal Weltmeister im Paarlauf wurden. Und damit etwas schafften, was seit 45 Jahren, seit den Siegen von Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler in den Jahren 63/64, keinem deutschen Paar mehr gelungen war, den Titel zu verteidigen.

Es war ein Sieg mit fast 17 Punkten Vorsprung vor den Chinesen Zhang Dan und Zhang Hao und den Russen Kawaguti/Smirnow. Es war ein Sieg mit Gefühl und fürs Gefühl. Aljona Savchenko und Robin Szolkowy zogen seelenvoll, sanft und unwiderstehlich ihre Kreise, gaben jedem Ton der Filmmusik zu "Schindlers Liste" Form und Gestalt, und am Ende hatte selbst Steuer, der gern den harten Hund gibt, Tränen in den Augen. "Ihre Leistung macht das Ganze so besonders", schwärmte er zu später Stunde, "so ergreifend."

Gewohnt trocken und unaufgeregt kommentierte Szolkowy seinen Stolperer, der ihn aus einer vergleichsweise harmlosen Schrittfolge heraus kurz aufs Eis gezwungen hatte: "Vielleicht war da zu viel Eis auf dem Eis. Ich fands irgendwie lustig, denn so was passiert sonst nie." Mit so einem Kerl an der Seite kann es einem nicht schlecht gehen, das hat Savchenko inzwischen erkannt. Sie, die so ehrgeizig und ebenso ungeduldig wie der Trainer ist, beschreibt die besondere Qualität ihres Partners so: "In der Ruhe liegt die Kraft. Ich nehme seine Ruhe mit, wenn ich sie brauche."

Szolkowy wiederum profitiert von Schwung und Energie der perfekten Paarläuferin Savchenko. Deren Motto: "In einem Paar muss der eine ruhig, der andere anders sein, sonst läuft nichts." Und Steuer ist, da gibt es keinen Zweifel, der Mann, der alles zusammengefügt hat. Der, wie er es selbst nennt, zwei Rohdiamanten geschliffen hat. Nach dem zweiten Titel als Trainer war er in aufgeräumter, gelöster, überschwappend guter Stimmung.

Ob die Stimmung wirklich rüberschwappen wird in die Heimat? Dort fehlt dem Paar die Wertschätzung, die es in der internationalen Eislauffamilie genießt. Steuers realistische Einschätzung: "Ich bin immer noch bekannter als Aljona und Robin." Nun kann man darüber diskutieren, welchen Anteil seine Vergangenheit als Stasi-Mitarbeiter an dieser Bekanntheit hat.

Aber es ist wohl eine Mixtur aus vielen Gründen, die die Blüten der Siege im Schatten wachsen lässt. Eine gewisse Wagenburg-Mentalität beim Chemnitzer Trio gehört dazu ebenso wie die Tatsache, dass Eiskunstlauf im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so gut wie kaum noch zu sehen ist (immerhin übertrug die ARD die Kür am Donnerstag Morgen live). Oder wie der Umstand, dass die gebürtige Ukrainerin Savchenko nach wie vor nur bedingt als Deutsche wahrgenommen wird. Steuer meint: "Manchmal hat der Deutsche Probleme, sich mit solchen Leuten zu identifizieren, obwohl wir doch längst eine Multikulti-Gesellschaft sind."

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