piwik no script img

Archiv-Artikel

Eisiger Weihrauch

Beim Live Entertainment Award trafen sich Promis und Konzertveranstalter in der Hamburger Color Line Arena, um sich gegenseitig zu feiern. Das Schöne: Für‘s Fernsehen ist das nichts. Zumal in manchem Star noch eine subversive Ader schlummert

Überall rote Vorhänge. Vorhänge auf der Bühne, als Bühnenbild. Und Vorhänge seitlich, vor den vielen Sitzreihen, die rund um das Spielfeld mächtig in die Höhe steigen. Auf dem Spielfeld ist sonst das Eishockey-Team der Hamburg Freezers unterwegs. An diesem Abend aber liegt da ein weicher Teppich und es gibt Stühle, die mit weißem Stoff überzogen sind und viele Leute im Anzug, aber ohne Schlips. An diesem Abend nämlich findet in der Color Line Arena der Live Entertainment Award (Lea) statt. Und das heißt: Unter anderem Smudo, Stefan Raab, Götz Alsmann und Ottfried Fischer sind gekommen, TV-Kameras aber gibt es keine. Denn der Lea ist eine Awardshow, die trotz ihres hohen Promi-Anteils kaum fernsehkompatibel ist. Was daran liegen mag, dass man diese Show erklären muss.

Der Lea wurde initiiert von Jens Michow, dem Präsidenten des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft. Dieser Verband vertritt die Interessen von Konzertagenturen, Veranstaltern, Agenten und Managern, allen also, die ihr Geld mit Live-Veranstaltungen verdienen, ohne dabei selbst auf der Bühne zu stehen. Beim Live Entertainment Award werden Preise vergeben in Kategorien wie „Festival des Jahres“, „Club-Tournee des Jahres“ oder „Hallen-Tournee des Jahres“. Bewertet hat die Jury neben der künstlerischen Performance auch die Leistung der Leute hinter den Kulissen. Beides zusammen also in einem Topf – der Lea hat schon mal das Problem, dass nicht klar ist, was genau warum geehrt wird.

Immerhin aber ist klar, dass die Preise nicht an Künstler sondern an Nicht-Künstler gehen. Die Künstler allerdings halten die Laudatios für die geehrten Nicht-Künstler – das ist die Pointe beim Lea. Der Lea ist dazu da, dass sich die Branche selbst feiert. Das geschieht mit beeindruckendem Aufwand und wird möglich vor dem Hintergrund, dass es der Branche seit Jahren immer besser geht. Während die Plattenindustrie im digitalen Zeitalter massive Umsatzeinbußen hat, boomen die Live-Veranstaltungen. Laut Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft hatte der Veranstaltungsmarkt im Jahr 1995 noch 48 Prozent am Gesamtumsatz von Veranstaltungsmarkt und Tonträgerwirtschaft. Im Jahr 2007 machten die Konzertveranstalter bereits 64 Prozent des Gesamtumsatzes beider Märkte.

Der Lea könnte also eine fade Jubelveranstaltung sein, aber das ist er nicht. Denn unter den Künstlern gibt es noch ein paar, die zumindest ein bisschen quer schießen bei dieser groß angelegten Selbstbeweihräucherung der Branche. „Ich hab‘ mir gedacht: Da gibt‘s ja keine Fernseh-Kameras, da muss ich mich nicht vorbereiten“, sagt etwa Smudo bei seiner Laudatio auf Stefan Raab, der wegen seines Bundesvision Song Contests als Nachwuchsförderer des Jahres geehrt wird. Raab sagt dann bei seiner Dankesrede im Hinblick auf die Zeitschrift Musikmarkt, die den Lea mit veranstaltet: „Als ich die lange Liste der Veranstalter hörte, fiel mir mein Musikmarkt-Abo wieder ein. Ich vergesse schon seit Jahren, das endlich zu kündigen.“ Schön auch, dass Moderator Götz Alsmann ehrlich genug ist, zum Publikum zu sagen: „Es fällt niemandem ein Zacken aus der Krone, wenn der Applaus so lange anhält, bis die Preisträger die Bühne erreicht haben.“ Oder Ottfried Fischer, der im Hinblick auf die Nutzung der Halle als Eishockey-Arena meinte: „Das ist ja eine eisige Stimmung hier, das liegt wohl am Boden.“

Die Risse gaben diesem Abend einen Sinn, ebenso wie die sanfte Verweigerung, wenn etwa der Chansonnier Tim Fischer sein Grußwort als Videobotschaft schickt – ihn hatte ein richtiger Auftritt von der Teilnahme abgehalten. TV-Kameras wird es für den Lea wohl so bald nicht geben. Dafür hat der Hamburger Konzertveranstalter Karsten Jahnke einen Preis für sein Lebenswerk bekommen. Gratulation. KLAUS IRLER