: Eisenbahner streiken in Polen
■ Hauptlinien zwischen Stettin, Warschau und Gdansk ohne Strom / Hungerstreik der Eisenbahner von Torun weitet sich aus / Gewerkschaften distanzieren sich / Regierung will nicht nachgeben
Warschau (taz) - In der Nacht von Samstag auf Sonntag stellten streikende Eisenbahner in Pommern den Strom auf den Hauptstrecken der nordwestlichen Fahrdienststellen ab und blockierten damit über 20 Eisenbahnzüge. Das „Regionale Streikkomitee“, das bisher von keiner Gewerkschaft unterstützt wird, rief zum Generalstreik im Bereich der Polnischen Staatlichen Eisenbahnen auf.
Der internationale Schnellzug „Gedania“, der - aus Berlin kommend - an der Weiterfahrt nach Gdingen gehindert wurde, wurde daraufhin von aufgebrachten Passagieren demoliert, die auch versuchten, das Bahnhofsgebäude von Skibno anzuzünden. Am Sonntag nachmittag unterbrachen streikende Eisenbahner zum zweiten Mal die Hauptverbindung zwischen Stettin und Warschau, auch die Linie zwischen Stettin und Danzig blieb ohne Strom. Bis Montag Morgen war demnach Stettin vom übrigen polnischen Eisenbahnnetz abgeschnitten.
Der Protest hatte mit dem Hungerstreik einiger Eisenbahner in Slupsk begonnen, die vor allem mehr Lohn forderten. Inzwischen ist ihre Zahl in Slupsk auf 40 angestiegen, in Torun haben sich sieben Eisenbahner angeschlossen.
Die Regierung nimmt den Streik sehr ernst. In einer Erklärung von Regierungssprecherin Niezabitowska heißt es, die Erfüllung der Forderungen bedeute den Zusammenbruch der Wirtschaftspolitik. „Fünf Monate harter Arbeit und der Verzicht der ganzen Gesellschaft wären umsonst gewesen“, bei einer Lohnerhöhung müsse man damit rechnen, daß auch andere Branchen nachziehen, es drohe eine Rückkehr der Hyperinflation des letzten Jahres. Auch Sozialminister Jacek Kuron, der sich über das Fernsehen an die Streikenden wandte, rief dazu auf, den Streik einzustellen. „Die Regierung kann nur nachgeben, indem sie zurücktritt“, sagte er.
Sowohl die Stettiner Solidarnoscsektion, als auch die in den kommunistischen Gewerkschaften OPZZ organisierte „Gewerkschaft der Maschinisten“ haben sich indessen von dem Streik distanziert. Solidarnosc hatte die Hungerstreikenden zunächst unterstützt, sich dann aber gegen sie gewandt. Entgegen ihrer ursprünglichen Zusicherung hatten sie den Hungerstreik nicht abgebrochen, nachdem Verhandlungen begonnen hatten.
Klaus Bachmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen