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Einweihung von RegionalairportFliegeralarm in Hessisch-Sibirien

Zur Eröffnung setzt eine Boeing 737 mit Losgewinnern auf, dann herrscht wieder Ruhe auf dem Flughafen Kassel-Calden. Mit EU-Geldern erbaut, ist er ein Verlustgeschäft.

Den Staub wirbelt nur der Wind auf: Rollfeld vom Airport Kassel-Calden ein paar Tage vor der Eröffnung. Bild: dpa

WIESBADEN taz | Am Donnerstag wird es am Rande von Calden kurz mal etwas lauter. Eine Boeing 737 der Fluglinie Germania wird in der Gemeinde mit 7.500 Einwohnern nördlich von Kassel aufsetzen, Abflugsort und Ziel Frankfurt am Main. Damit Gäste der Eröffnungsfeier des neuen Regionalflughafens sehen, wie das so ist, wenn große Flugzeuge landen und abheben.

Allerdings wird die Boeing ohne reguläre Passagiere wieder starten. Nur mit glücklichen Losgewinnern, die sich auf einem Rundflug ihre nordhessische Heimat einmal von oben anschauen können, Wald, Wiesen, Felder, Fuchs, Hase.

Am Nachmittag dann soll ein erster Charterflug nach Antalya gehen, wobei schon der nächste Flug am Freitag mangels Nachfrage vom Veranstalter umgebucht wurde. Nur sechs Passagiere wollten mit der türkischen Chartergesellschaft Tailwind von Kassel-Calden starten und werden deshalb mit Bussen zum Konkurrenzflughafen nach Paderborn spediert.

Wer von Tailwind mehr über die in der kommenden Woche geplanten Flüge erfahren will und unter der offiziellen Nummer anruft, hat eine Hamburger Firma am Apparat, die „manchmal Abwicklungen macht für die“, sonst aber leider auch nicht weiterhelfen kann. So eine Airline ist das nämlich.

121 Millionen Euro teurer als geplant

Kein guter Start also für ein Infrastrukturprojekt, das doch eigentlich einen idealen Start hatte. Zwar wurde der „Wohlfühl-Flughafen“ (Eigenwerbung) mit 271 Millionen Euro knapp 121 Millionen Euro teurer als geplant. Aber er wurde – bis auf die Kläranlage – rechtzeitig fertig, worauf alle Beteiligten sehr stolz sind. Beteiligt sind in finanzieller Hinsicht das Land Hessen, dessen Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) auch im Aufsichtsrat sitzt, die Stadt und der Landkreis Kassel sowie die Gemeinde Calden, die an der Stelle zuvor einen Sportflughafen mit Gewerbegebiet unterhalten hatte.

Die Idee, das strukturschwache „Hessisch-Sibirien“ mit einem Regionalflughafen zu stärken, hatte die Landesregierung schon 2000. Da war das ehemalige Zonenrandgebiet längst von den Nachbarn überholt worden. Der Flughafen Paderborn-Lippstadt liegt nur 71, der Flughafen Erfurt-Weimar nur 130 Kilometer entfernt.

Geld aus EU-Töpfen gab es obendrein, weil das Land in Brüssel geltend machen konnte, den Airport in Frankfurt am Main entlasten zu müssen – der liegt 200 Kilometer südlich. Die Flughafen GmbH Kassel, bei der das Land Hauptanteilseigner ist, setzt deshalb auf eine öffentliche Trägerschaft und will angeblich nicht den Fehler von Frankfurt-Hahn wiederholen. Dort wird das Geschäft eines Billiganbieters subventioniert.

Keine Schuldenbremse vorgesehen

Bis 2020 sollen rund 500.000 Passagiere im Jahr abgefertigt werden können, was rund 70 Flügen die Woche entspricht – gegenwärtig sind es nicht einmal ein Dutzend. 2023 soll dann mit 640.000 Reisenden eine schwarze Null erreicht werden – bis dahin rechnen Experten mit Verlusten von jährlich zehn Millionen Euro.

Eine Schuldenbremse ist nicht vorgesehen. Die CDU-Landesregierung hält ihre ehemalige Problemzone für boomend. Schon verkündet die Flughafen-Geschäftsführerin Maria Muller, ein Flughafen müsse sich nicht lohnen: „Keine Straße oder Autobahn schreiben eine schwarze Null, ein Bahnhof wirft auch keinen Gewinn ab, und das ist auch in Ordnung.“

Hoffnungen ruhen weniger auf dem Rollfeld als auf den Brachen ringsum. Dort sollen sich Industrie und Gewerbe ansiedeln, auch mit prosperierenden Läden im Terminal wird gerechnet. Ohne Reiseveranstalter und Fluglinien werden jedoch nicht einmal Pauschalreisende in Calden bummeln.

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8 Kommentare

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  • L
    LocksteinW

    Die Hauptstadt braucht einen funktionierenden Flughafen, also sollte das 'politische Berlin' nach Kassel umziehen.

     

    Wäre billiger als Berlin weiter als Hauptstadt zu betreiben....

  • B
    brf

    Man beachte die Werbung:stets aktuell und übersichtlich (deshalb nur 4 Flüge pro Tag)

    http://www.flughafenkassel.de/?id=16

  • E
    Eullchen

    Niedlich, wo habt Ihr denn abgeschrieben? Es war keine 737, es war ein Airbus 319

  • HB
    Heinz Boxan

    Nachdem die Paragleitflieger sich den BER gesichert haben, wollen nun Inlineskater eine Option für Calden.

    Es findet alles seinen (unnützen)Niederschlag.

    inribonax

  • A
    anke

    121 Millionen oder fast 45 % mehr – wenn das kein guter Grund ist, sich wohl zu fühlen! Vielleicht nicht unbedingt für die paar Fluggäste oder den (unfreiwilligen) Steuerzahler, immerhin aber für die am Bau beteiligten Unternehmen. Wobei vermutlich auch bei Kassel eher die Starken gestärkt worden sein dürften durch den warmen Euro-Regen. Es gibt schließlich eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung.

     

    10 Millionen oder 20 Euro pro Passagier und Jahr Verlust – da freut man sich doch doppelt, wenn ein Prestigeprojekt ganz ohne Zeitverzug eröffnet wird. Calden schlägt Berlin. David gegen Goliath – es lebe die Provinz! Immerhin ist es ja kein fliegender "Billiganbieter", der da subventioniert wird, sondern eine echte Immobilie. In Zeiten exzessiver Steuerflucht kann Erdverbundenheit ein nicht zu überschätzender Standortvorteil sein. Und so ein ganz klein wenig "Entlastung" können sicher auch die für teuer Bürger-Geld installierten Flughäfen bei Paderborn und Erfurt vertragen. Denn, Hand aufs Herz: Wer von uns fühlt sich nicht am aller wohlsten, wenn er im Urlaub mal die Füße hochlegen darf? Auch, wenn sich Faulheit fast genau so wenig "rechnet", wie die Autobahn, auf der man vorher stundenlang im Stau gestanden hat.

     

    Und wenn ich Geschäftsführerin Muller, die es ja wissen muss, richtig verstehe, werden demnächst nicht nur Caldener Äcker blühen wie ostdeutsche Nachwendelandschaften, sondern auch alle autobahnnahen Brachflächen bundesweit. Wegen der Staus nämlich. Womöglich werden dann sogar bei Nohra, Umpferstädt und bei Schöngleina 737-Flieger landen können. Wer anlässlich der Neueröffnung in die extra dafür aufgebauten Kameras lächeln wird, weiß ich jetzt schon. Und wer's bezahlen wird, steht auch schon fest.

  • R
    reblek

    "Einweihung von Regionalairport" - Ach ja? War ein Pastor da? Welcher Konfession? Oder ein Bischof, ein Kardinal gar? Ach so, es ging wohl doch ganz zivil zu: "Zur Eröffnung setzt eine Boeing 737 mit Losgewinnern auf..."

  • B
    Boiteltoifel

    Man könnte doch eine Magnetschwebebahn vom neuen berliner Flughafen zum neuen hessischen Flughafen bauen. Dann hätte Berlin einen funktionierenden ausgelagerten Flughafen und die Hessen einen, der ausgelastet wäre. Im Jahr 2525 wird Calden dann die neue Metropole sein, die sich Frankfurt und Berlin einverleibt... Oder so...

  • J
    jan

    Na klar wird der ein Verlustgeschäft. Wovon sollen die GrüngelbCDUSPD-wählenden Lohnprekarier so etwas Unerschwingliches wie eine Fernreise denn bezahlen? Das wird endlich wieder ein Privileg der Oligarchie, die sich auch den Flughafen unter den Nagel reißen wird - wetten?