piwik no script img

Eintracht – ein Nachruf Von Mathias Bröckers

Dortmund Meister, und die Eintracht steigt ab – zugegeben, es hätte noch schlimmer kommen können, wenn nämlich die blöden Bayern am Ende vorn gewesen wären, aber auch so ist die Sache übel genug. Ja, so richtig kann ich es noch gar nicht fassen – der Traum der Kindheit, der Schwarm der Jugend, die Freude des Alters... futsch, weg, abgestiegen.

Für den Fan ist ein Abstieg wie ein echter Trauerfall in der Familie. Da verbringt man 33 Jahre quasi jeden Samstag ein Stündchen mit der guten alten „Eintracht“, nimmt Anteil, fiebert, freut sich, flucht... und dann das. Sicher, das Ende war abzusehen – aber daß es definitiv so weit kommen könnte, lag einfach abseits jeder Vorstellungskraft. Und was noch kommen könnte, sieht man gerade am 1. FC Nürnberg, der nach der 2. Saison 2. Liga jetzt in die Amateurklasse durchgereicht wird. So etwas ist gerade der Eintracht auch zuzutrauen – nicht umsonst wird sie seit je die „launische Diva“ genannt. Sie hat es ihren Fans nie leichtgemacht, deshalb hatte ich mir auch die Gladbacher Borussia bei ihrem Aufstieg gleich zum zweiten Lieblingsverein erkoren. Obwohl die „Fohlen“ die Seele begeisterten und ich mir 1966 sämtliche Autogramme am Bökelberg abgeholt hatte, blieb das Herz doch bei Eintracht Frankfurt. Auch da konnte ich in Devotionalien schwelgen, vor allem, als ein Freund meines Vaters Präsident des Vereins wurde – und ich im Waldstadion auf der Ehrentribüne hocken durfte und nachher zum Apfelsaft mit den Spielern. Wer je auf einem Bolzplatz gekickt hat, weiß, was das für ein Privileg war.

Grabowski war damals noch Nachwuchstalent, Hölzenbein kickte noch beim TuS Dehrn, und die Eintracht-Recken hatten gegen Heroen wie den leibhaftigen Uwe Seeler anzutreten. Dann kam die große Zeit mit Grabi und Holz als Weltmeister, „Dr. Hammer“ Nickel als Freistoßspezialisten und dem Zauberer Yusufi. „Wir brauchen keinen Beckenbauer, wir haben einen Yusufi“, tönte es aus der Kurve, wenn der Jungkaiser mit den Bodyguards Bulle Roth und Katsche Schwarzenbeck antrat. Es folgte eine weitere wunderbare Ära, gekennzeichnet von der Ballkunst eines Bum Kun Cha (Cha Bum), den Eckhard Henscheid (Hrzl. Beileid!) in der gerade gegründeten Titanic mit einer Hymne besang. Wer hätte damals gedacht, daß die Eintracht je so tief sinken könnte? Ja, wer hätte das noch vor drei Jahren gedacht, als die Traumachse Binz-Bein-Yeboah die gesamte Liga verzauberte und die Eintracht, wenn in Form, jede Elf der Welt hätte schlagen können? Der Fanklub nannte sich fortan die „Zeugen Yeboahs“, und selbige verließ der Glaube auch nicht, als man beim Schlußlicht Rostock die Meisterschaft vergeigte: „Halt typisch Eintracht – kurz vorm Klo in die Buchs geschisse.“ Doch dann kam mit Heynckes, der der Eintracht mit Disziplin und Feldwebelattitüde das Divaeske austreiben wollte, der Anfang vom Ende. Er vergraulte den Magier Yeboah, das genialische Windei Gaudino und formte aus dem launischen Dream Team jene kalkulierbare Gurkentruppe, die jetzt zwangsläufig in die Zweitklassigkeit wanderte. Heynckes aalt sich mittlerweile längst in Teneriffa – aber uns wird abverlangt, der Eintracht künftig gegen Unterhaching die Daumen zu drücken. Eine echte Zumutung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen