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Einsturzgefahr wurde ignoriert

■ Inntalbrücke galt spätestens seit 1987 als wackelig / Jetzt erhält der Brückenpfeiler „Injektionen“

Wien (dpa/taz) - In Wien häuften sich seit 1987 die Hinweise auf eine Einsturzgefahr der Inntalautobahn-Brücke bei Kufstein. Das Wiener Nachrichtenmagazin 'Profil‘ hat eine Vielzahl von Warnungen dokumentiert, die von den österreichischen Behörden in den Wind geschlagen wurden. Man habe befürchtet, die kritischen Hinweise seien Panikmache der Energiewirtschaft, um den umstrittenen Bau eines Wasserkraftwerkes acht Kilometer stromabwärts der Brücke durchzudrücken.

Der Bau des Kraftwerks, das von den Gerichten nach der Intervention von Umweltschützern gestoppt wurde, hätte durch ein Aufstauen des Inns die Fließgeschwindigkeit und damit die Unterspülung der Brücke verringert. Die mit dem Bau des Kraftwerks beauftragte Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG übermittelte am 6. November 1987 laut 'Profil‘ an das Verwaltungsgericht in Wien eine Graphik, in der es erläuternd hieß: „In dieser Darstellung sind vier besonders gefährdete Bereiche (durch die Unterspülung der Bauwerke) erkennbar: Autobahnbrücke Kufstein, Autobahnbrücke Kiefersfelden und zwei Hochwasserdämme.“ Die Erosion bewirke eine „unmittelbare Gefahr für die Standfestigkeit“. Die Schäden könnten bereits bei „Hochwasserereignissen“ auftreten, „die weit davon entfernt“ sind, „tatsächliche Katastrophenfälle zu sein“.

Laut 'Profil‘ habe auch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim und am 20. Februar 1988 in einem Brief sogar das Wiener Verkehrsministerium „eine akute Gefährdung des gesamten Flußbereichs und damit verbunden eine konkrete Gefahr für die Standfestigkeit der Bauwerke“ erkannt. Nur zwei Tage später habe schließlich das Landwirtschaftsministerium in einer dringlichen Stellungnahme geschrieben: „Es wurde vom Bezirksamt Kufstein erhoben, daß der Brückenpfeiler der Autobahnbrücke durch Unterkolkungen (Unterspülung) ... schwer gefährdet ist.“

Für das Abrutschen der Inntalautobahnbrücke waren den Untersuchungen zufolge das Hochwasser und ein nicht entfernter Hilfspfeiler verantwortlich. Wie der österreichische Wirtschaftsminister Schüssel am Dienstag unter Berufung auf ein erstes Gutachten sagte, werden rechtliche Schritte gegen die säumige Baufirma geprüft. Geplant sei jetzt die Gesamtsanierung der Brücke, nicht das Abtragen des Pfeilers. Es müsse mit einer Brückensperre von einem Jahr gerechnet werden.

Ziel der Sanierung ist eine Anhebung des 50 Meter langen Mittelpfeilers, der um 1,30 Meter in den Inn gesunken war, durch „Injektionen“ in das Fundament. Der Pfeiler wird schrittweise in die ursprüngliche Lage gehoben. Heute beginnen die Arbeiten. Eventuell könne die Nordspur der Autobahn bereits in sechs Monaten wieder freigegeben werden. Sanierungskosten: 14 Mio. DM.

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