Einsturz des Kölner Stadtarchivs: Keine Hoffnung mehr auf Überlebende
Nach dem Einsturz eines Stadtarchivs in Köln werden noch immer zwei Menschen vermisst. Das dort gelagerte Archivmaterial kann offenbar gerettet werden.
KÖLN afp/ap/dpa/reuters Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs und angrenzender Gebäude in Köln sind am Mittwochmorgen die Sicherungsarbeiten fortgesetzt worden. Feuerwehr und Stadtverwaltung gingen nach neuesten Erkenntnissen von zwei Personen aus, die verschüttet sein könnten. Es seien zwei Bewohner eines eingestürzten Gebäudes verschwunden. Zeitweilig waren am Dienstag bis zu neun Menschen vermisst worden.
Das Kölner Stadtarchiv war am Dienstag Nachmittag in sich zusammen gefallen. Nebenstehende Gebäude wurden stark beschädigt. Die Ursache des Unglücks steht nach ersten Erkenntnissen der Behörden offenbar in Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau in der Kölner Südstadt. Demnach führte ein Erdrutsch in dem Gleiswechselbauwerk unterhalb des Archivs zum Einsturz des Gebäudes.
Zwei Menschen werden immer noch vermisst. Bei den beiden Männern handele es sich um die Bewohner der Dachgeschosswohnungen eines der eingestürzten Wohnhäuser, sagte eine Polizeisprecherin vor Journalisten in Köln. Die Polizei ermittle in deren Familien- und Bekanntenkreis sowie auch im Arbeitsumfeld und setze alles daran, die Vermissten zu finden.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit möglicher Verschütteter tendiere leider "gegen Null", sagte der Kölner Feuerwehrchef Stefan Neuhoff. Stadtdirektor Guido Kahlen (SPD) sagte, "wir können nur hoffen, dass sich diese beiden Personen nicht auf diesem Grundstück aufgehalten haben".
Die Bergungsarbeiten seien "sehr kompliziert und äußerst mühsam", sagte ein Feuerwehrsprecher. Die Rettungskräfte bahnten sich demnach in der Nacht einen Weg über die Rückseite des Geländes zu der Unglücksstelle. Dazu seien mehrere Garagen abgerissen und eine künstliche Rampe errichtet worden. Laut Feuerwehr müssen Räumfahrzeuge und ein Kran auf das Gelände fahren, um die Dachreste der Nebengebäude abzutragen, die auf die Trümmer zu stürzen drohen.
Vor Ort seien in der Nacht rund 1.000 Kubikmeter Beton verfüllt worden, um den Untergrund zu stabilisieren. Sobald dieser ausgehärtet sei, könnten weitere Rettungsmaßnahmen erfolgen, sagte der Sprecher weiter. Derzeit würden auch Gegenstände aus anderen Teilen des Archivs geborgen, das unschätzbare historische Bestände beherbergte.
Die Kölner Behörden haben unterdessen Vorwürfe über mögliche Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Einsturz des Gebäudes zurückgewiesen. Der langjährige Abteilungsleiter des Archivs, Eberhard Illner, hatte das Unglück wegen der Risse im Mauerwerk des Gebäudes zuvor als "absehbare Katastrophe" bezeichnet. Die Senkungsrisse seien von mehreren Sachverständigen als unbedenklich eingestuft worden, bekräftigte hingegen Stadtsprecher Gregor Timmer am Dienstagabend. "Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die Risse nicht die Ursache für den Einsturz." Nach Angaben der Stadt entstanden die Risse Mitte 2007 im Zusammenhang mit dem U-Bahn-Bau.
Feuerwehrleute und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks drangen unterdessen zu einem weitgehend unbeschädigten Anbau des Archivs vor, aus dessen Keller nun Archivmaterial geborgen wird. Die Akten, Dokumente und weiteres Archivmaterial würden in ein Zwischenlager gebracht, dort gesichtet und inventarisiert, sagte ein Feuerwehrsprecher. Im Laufe des Tages solle die Einsturzstelle mit Planen abgedeckt werden, um das noch intakte Archivmaterial vor Regen zu schützen.
Als Teil des Notfallplanes des Landes Nordrhein-Westfalen hätten rund 20 Archivare und Restauratoren mitlerweile von einer sicheren Stelle aus das Trümmerfeld und die Talsohle des Unglücksortes betreten können, sagte NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. "Dabei zeichnet sich ab, dass die alten und weltberühmten historischen Urkunden des Kölner Stadtarchivs weitgehend sicher geborgen werden können", heißt es in Mitteilung der Staatskanzlei.
Es sei aber zu befürchten, dass viele wertvolle Kloster- und Stiftungsurkunden des Landes NRW von einbrechendem Wasser beschädigt worden sind. Für deren sofortige Restaurierung stünden Landesrestauratoren in Düsseldorf und Münster bereit. "Insbesondere das Technische Zentrum in Münster ist ab sofort auf die Rettung des Materials eingestellt."
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