Einsturz Kölner Stadtarchiv: Kaum Chancen für Vermisste

Ein Grafikdesignstudent und Bäckerlehrling könnten unter den Trümmern des Stadtarchivs liegen. Oberbürgermeister Schramma stoppt den U-Bahn-Tunnelbau vorrübergehend.

Ein Bild des Jammers: die Überreste des Stadtarchivs. Bild: ap

KÖLN taz Zwei Tage nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs und anliegender Gebäude in Köln wächst der Druck auf die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), zumindest vorübergehend die Bauarbeiten an der Nord-Süd-Stadtbahn einzustellen. So fordert Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) inzwischen eine "Phase der temporären Atempause". Absoluten Vorrang müsse jetzt eine "erneute Prüfung aller Risiken" haben, damit mögliche Gefahren bei dem Bau der neuen U-Bahn-Strecke "bestmöglich eliminiert" würden: "Es darf keine weiteren Bohrungen und massiven Erdverschiebungen mehr geben".

Gleichzeitig sprach sich Schramma jedoch erneut für das umstrittene Projekt aus: "Am Ende muss die U-Bahn so fertiggestellt werden, wie sie geplant war." Den mehr als einhundert Anwohnern, die ihre einsturzgefährdeten Häuser rings um das Stadtarchiv verlassen mussten, versprach Schramma "sofortige und unbürokratische Hilfe".

Auch Jürgen Roters, der SPD-Herausforderer Schrammas bei der Oberbürgermeisterwahl Ende August, sprach sich dafür aus, nach einer "Denkpause" die neue U-Bahn-Strecke fertigzustellen. "Jetzt, da schon so viele Steuergelder verbaut wurden", könne es "nicht sein, dass man von dem ganzen Projekt Abstand nimmt", sagte Roters. Die Kosten für die fast fertige Strecke, vom Breslauer Platz nördlich des Hauptbahnhofs parallel zum Rhein in den Kölner Süden, belaufen sich bislang auf rund 950 Millionen Euro. Immer wieder war es seit Baubeginn vor fünf Jahren zu Pannen gekommen.

Unterdessen haben sich die Hinweise verdichtet, dass sich die zwei seit Dienstag vermissten Männer, die im Dachgeschoss eines eingestürzten Nachbargebäudes wohnten, tatsächlich unter den Trümmern befinden. Bei den mutmaßlichen Opfern soll es sich um einen 23-jährigen Grafikdesignstudenten und einen 17-jährigen Bäckerlehrling handeln. Gestern meldete sich die Familie eines der beiden Opfer zu Wort. Sie bangten um sein Leben und "hoffen, dass er vielleicht doch lebend geborgen werden kann", heißt es in der Erklärung. Doch obwohl die Arbeiten an der Einsturzstelle weiter auf Hochtouren laufen, gelang es den Einsatzkräften bis Redaktionsschluss nicht, mit der Suche nach den Vermissten zu beginnen. Erst wenn sichergestellt sei, dass es die Retter nicht gefährde, könne mit den eigentlichen Bergungsarbeiten in dem meterhohen Schutt- und Betonhaufen begonnen werden, sagte Feuerwehrchef Stephan Neuhoff.

Nachdem bereits zwei stark beschädigte Gebäude neben dem Stadtarchiv abgerissen werden mussten, gilt inzwischen auch eine benachbarte Schule als einsturzgefährdet. Teile des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums mussten mit einer Holzkonstruktion gestützt werden. Auch in der ebenfalls in der Nähe des Stadtarchivs beheimateten Kaiserin-Augusta-Schule findet derzeit kein Unterricht statt. Für die betroffenen insgesamt rund 2.000 Schüler wird noch nach einem Ausweichquartier gesucht.

Das Unglück zeige, "dass eben doch nicht alles planbar ist", sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bei seinem Besuch des Unfallorts. Es sei eine menschliche und kulturelle Katastrophe. In dem Stadtarchiv lagerten Dokumente aus mehr als 1.000 Jahren kölnischer und rheinischer Geschichte - von Karten aus dem 11. Jahrhundert über Handschriften von Karl Marx und Friedrich Engels bis hin zum Nachlass von Heinrich Böll. Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 922. Wie viele der kostbaren Archivalien gerettet werden können, ist völlig ungewiss. Rüttgers versprach dem OB Schramma umfangreiche Hilfe vom Land.

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