: Einstimmig für „Rollkommandos“
■ Beiräte diskutierten Razzien am Sielwall-Eck
Einstimmig haben am Dienstag abend die Beiräte Mitte und Östliche Vorstadt eine stärkere Polizeipräsenz rund um die Sielwallkreuzung herum gefordert. Zu den „repressiven Maßnahmen“ zur „Verhinderung offener Szenen“ seien auch „Rollkommandos“ sinnvoll, heißt es in dem Beschluß — dies allerdings nur, wenn zuvor „ausreichend dezentraler Wohnraum“ und ganztägig geöffnete Notunterkünfte für Drogenabhängige geschaffen werden. Außerdem verlangen die Beiräte ihre Einbeziehung in ein Koordinierungsgremium zur Umsetzung des Bremer Drogenhilfeplans.
Kritik gab es gleichzeitig von allen Fraktionen und auch aus den Reihen der rund 200 BesucherInnen der Beiratssitzung an den Polizei-Razzien der letzten Tage an der Sielwall-Kreuzung. „Wir fragen uns, ob diese Aktionen nicht eher zur Profilierung des neuen Innensenators, Friedrich van Nispen, dienen sollten“, sagte zum Beispiel Klaus Schaffers für den Sozialausschuß des Beirats Östliche Vorstadt. Und selbst van Nispens Parteifreund, das FDP-Mitglied im Beirat Mitte, Ralf Mulde, bemängelte, daß die Polizeieinsätze „über das Ziel hinausgeschossen“ seien. Kritik gab es außerdem mehrfach daran, daß AnwohnerInnen, Drogenhilfe- Initiativen und Beiräte nicht vor den Polizei-Razzien konsultiert worden waren.
„Ich habe das Recht, das erstmal im Senat abzusprechen, ohne gleich Beiräte, Personalräte usw. dabei haben zu müssen“, rief van Nispen zurück. Die Situation im Viertel sei „so dramatisch, daß wir sie nur mit Notwehraktionen des Staates in den Griff kriegen werden“, ergänzte der Innensenator und erhielt dafür den Beifall von rund der Hälfte der anwesenden Viertel-BewohnerInnen.
Die andere Hälfte des Publikums dagegen applaudierte den Skeptikern der neuen Polizeitaktik. „Ihr müßt mit den Junkies leben — ob Ihr das wollt oder nicht“, wehrte sich ein Mann, der sich selber als drogenabhängig vorstellte, gegen die „Kriminalisierung der Süchtigen“. Und die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Karoline Linnert: „Durch die Hatz auf Drogenabhängige fühle ich mich als Sozialpolitikerin verarscht.“ Wenn die Umsetzung der geplanten Hilfsangebote für Drogenabhängige längere Zeit dauere, „dann muß der Innensenator mit seinen Polizeieinsätzen erstmal abwarten“.
Doch darauf wollte sich van Nispen nicht einlassen. Der „zunehmenden Tendenz zum rechtsfreien Raum“ müsse schnell begegnet werden. Dazu gehöre zum Beispiel auch die Beschränkung der Straßenprostitution in der Friesenstraße „mit verkehrsregelnden Maßnahmen“. Van Nispen wörtlich: „Kein Mann hat den Anspruch, in einer bestimmten Straße auf den Drogenstrich gehen zu können.“ Ase
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen