„Einsparungen sind kaum möglich“

Die Produktionsverlagerung ins Ausland lohnt sich für Unternehmen selten  ■ Von Heike Haarhoff

Zu hohe Lohnkosten, zu hohe Herstellungskosten – die Schließung des Philips-Werks in Hamburg-Langenhorn schien daher unvermeidbar und seine Verlagerung ins Niedriglohnland Polen die beste unternehmerische Lösung. Es waren die üblichen Phrasen, mit denen die Philips-Werksleitung am Montag ihren wütend demonstrierenden Beschäftigten die bittere Nachricht zu erklären suchte: In Langenhorn werden bis April 1999 190 Menschen ihren Job verlieren.

Was soll man solchen Totschlag-Argumenten entgegensetzen? Viel, sagt Christian Nedeß, Professor für Fertigungstechnik an der Technischen Universität Harburg. Der Umzug in Niedriglohnländer wie Tschechien, Polen oder Slowenien sei – entgegen der allgemeinen Annahme – für deutsche Firmen weder immer noch grundsätzlich lohnend. „Die wenigsten Unternehmen kennen die Kosten, die ihnen durch die Auslagerung entstehen“, kritisierte Nedeß gestern. Und: „Die stehende Formel, daß der Lohnkostenunterschied eins zu zehn ist und die Herstellungskosten weniger als 30 Prozent der deutschen betragen“, könne er „so pauschal nicht mehr durchwinken“.

Im Auftrag der Wirtschaftsbehörde hatte Nedeß untersucht, welche Vor- und Nachteile die Produktionsverlagerung ins Ausland Unternehmen tatsächlich bringt. Intensiv befragt wurden dazu sieben mittelständische bis große deutsche Unternehmen, die – zumindest zeitweise – ins Ausland gegangen sind. Die Erfahrungen 23 weiterer Unternehmen flossen mit ein.

Das Ergebnis der Studie: Der Umzug in Niedriglohnländer ist nur dann empfehlenswert, wenn die Lohnkosten tatsächlich sehr hoch sind. Denn: „Bei Material, Maschinen oder Zukaufteilen sind Einsparungen kaum möglich.“Daher, so Nedeß, könne er kaum dazu raten, „Serienproduktionen mit hohem Automatisierungsgrad wie etwa die Chip-Herstellung“auszulagern.

Einige, meist mittelständische Firmen, die lediglich kleine Betriebsteile auslagerten oder sich an ausländischen Betrieben beteiligten, berichteten Nedeß überdies, daß sie inzwischen wegen erheblicher Qualitätsprobleme, hoher Zusatzkosten, Lieferengpässen und nicht zuletzt dem Know-how-Diebstahl lieber nach Deutschland zurückgekehrt seien: „Das Ziel Niedriglohnfertigung wird mit dem Risiko der Produktion in einem vergleichsweise unbekannten Umfeld erkauft“, folgert Nedeß. Bessere Erfahrungen dagegen hätten meistens große Unternehmen gemacht, die direkt eigene Firmen im Ausland gründeten und dort vor allem „Auslaufteile produzieren, die dem hiesigen technischen Standard nicht mehr entsprechen“.

„Die Euphorie der Auslagerung“, resümiert Nedeß seine Eindrücke, „gibt es nicht mehr“. Die Firmen betrachteten das Geschäft mit den Niedriglohnländern „insgesamt nüchterner“. Grund zur Hoffnung, so Nedeß, „daß der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht toter geredet wird, als er ist“.