piwik no script img

Einschüchterung im Vorwahlkampf

■ Die britischen Konservativen schießen sich auf die BBC ein Vorwurf der „anti–amerikanischen Libyen–Berichterstattung“

Aus London Rolf Paasch

Die Zeiten, in denen sich die BBC gegen Angriffe von links zur Wehr setzen mußte, sind endgültig vorbei. Seit Wochen steht die öffentlich–rechtliche Fernsehanstalt Großbritanniens unter konservativem Beschuß. Die „Beeb“, so ihr liebevoll–lautmalerischer Spitzname, soll mit den neuesten Zensurversuchen gezielt auf den kommenden Wahlkampf vorbereitet werden. Die Drama–Serie „Casualty“ über das Leben auf einer Intensivstation des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS) klinge, so ein Sprecher der Tories, „wie Propaganda der Labour Party“. Die von den Fernseh–Krankenschwestern in ihrer Teepause diskutierten Kürzungen im Gesundheitswesen „gibt es einfach nicht!“, so will es das orwellsche Regierungs–Speak. Zur Libyen– Berichterstattung der BBC stellten die konservativen Medienwächter ihrem Parteivorsitzenden Norman Tebbit gar eine lange Liste mit 41 Beschwerden über den zu „emotionalen“ und „anti–amerikanischen“ Charakter der Nachrichtensendungen zusammen. Ein paar Kostproben: „Überall in der Welt zeigt man sich über die Toten und Verletzten, Frauen und Kinder, die in ihren Häusern schliefen, besorgt“, so sprachs die BBC–Reporterin Kate Adie, während sie noch in den Trümmern von Tripolis herumkletterte. Eine solche Sprache, so stellte Maggies neue Linguisten–Schule fest, „schüre anti–amerikanische Gefühle“. Auch eine „weltweite Verurteilung“ der Aktion habe es nie gegeben; und die Geiseln im Libanon seien nicht wie in der BBC einfach „durch Kopfschuß getötet“ worden, sondern „ermordet“ worden. Am Mittwoch nun setzten sich BBC–Direktor Alasdair Milne und seine Auslandsjournalisten gegen die Anschuldigungen zur Wehr. Gegenwehr der „alten Tante“ In einer 24seitigen Erklärung widerlegten sie (mit einer Ausnahme) alle Kritikpunkte aus dem Hause Tebbit. „Ich stehe zu jedem Wort aus meinen 56 Libyen–Reportagen“, verteidigte sich Kate Adie, und Mr. Milne vermutete, die BBC solle hier „für die kommenden Wahlen eingeschüchtert werden“. Der Versuch, die „Corporation“ durch den von der Regierung ernannten Aufsichtsratauf Regierungskurs zu bringen, sind so alt wie die Anstalt selber. Vor genau 30 Jahren während des Suez–Debakels wollte Premier Anthony Eden „Bush House“ zum Disinformationszentrum umfunktionieren und auch Labour–Premier Harold Wilsons Haß auf die konservative „Neutralität“ der Anstalt war sprichwörtlich. Doch Tebbits neuester Versuch, die „behäbig–konservative nationale Institution“ als ein Riesennest voll mit Trotzkisten, Commies und liberalem Gesocks darzustellen, könnte leicht nach hinten losgehen. Seit 25 Jahren nämlich stoßen Meinungsforscher auf eine kontinuierliche Wertschätzung der „alten Tante“ BBC durch ihr Publikum. 60 Prozent können auf dem ersten und zweiten Kanal beim besten Willen keine „Parteilichkeit“ feststellen; die meisten bezeichnen die Haltung der öffentlich– rechtlichen Anstalt als „Pro– Establishment“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen