kurzkritik: Der Roman „Ohren haben keine Lider“ : Einsam unter Nachbarn
Monique Schwitter ist nicht nur Autorin, sondern auch Schauspielerin am Hamburger Schauspielhaus und versteht sich als solche auf die Kunst der Täuschung. Ihr erster Roman „Ohren haben keine Lider“ ist auf den ersten Blick eine Persiflage nachbarschaftlicher Beziehungen.
Die Ich-Erzählerin zieht mit ihrem Freund in ein Mehrparteienhaus, dessen Bewohner sich vor allem durch ihre musikalischen Vorlieben auszeichnen. Der Cellist Jeff hat eine Schwäche für die Nullte Sinfonie d-Moll von Bruckner, die Ärztin Conny hört Salsa mit 4/4-Takt, Agnes hört kamerunschen Bikutsi, ihr Freund Gerd Trash-Metal und die ältliche Lehrerin Frau Baumgartner schätzt die Stille.
Die Ich-Erzählerin verliert sich mehr und mehr in einer Welt aus Drogenrausch und Badewannendampf. Denn eigentlich erzählt Schwitter vom Scheitern zwischenmenschlicher Kommunikation und von sozialer Vereinsamung. Die Erzählerin bleibt von den hausinternen Vorgängen weitestgehend ausgeschlossen. Erst der Mord an Agnes reißt sie aus ihrer Trance.
Der Roman verliert nach dem Tod von Agnes leider viel von seiner virtuos dargestellten Rauschhaftigkeit und verkommt zu einem überlangen Nachwort. Denn der wichtigste Satz fällt bereits am Schluss des ersten Teils: „Einfach behaupten, man kenne sich nicht“, sagt die Protagonistin, als sie sich von ihrem Freund trennt. Anna-Lena Wolff
Monique Schwitter, Ohren haben keine Lider. Residenz Verlag, 19,90 Euro