Einkaufszentren in Berlin: Die Dinger müsste man sprengen!
Ein linke Abgeordnete ist offenbar genervt von der stetig wachsenden Zahl der Shopping-Malls – und fragt, ob es im Senat Gleichgesinnte gibt.
Konsumzwang. Konsumterror. Das waren die Begriffe, mit denen früher selbst geschmeidige – sprich: für unorthodoxe Koalitionen offene – Linke das Weihnachtsfest und die zähe Zeit davor bezeichneten. Lang ist’s her. Heute werden wir in der Werbung von Elektroniksuperdupermärkten und VersandhändlerInnen schon Ende November mit Hinweisen auf den „Black Friday“ oder den „Cyber Monday“ traktiert, und keiner scheint sich mehr drüber aufzuregen. Vielleicht, weil niemand versteht, was sich hinter diesen Anglizismen verbirgt?
Passend zum heutigen „schwarzen Freitag“ – was ja in alter linker Tradition absurderweise irgendwie auch wieder passt – erreicht uns die Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katalin Gennburg, die nicht nur ihrer Parteizugehörigkeit wegen als echte Linke gilt. Darin erkundigt sich die Politikerin, wie der Senat zu einer Rückbauprämie für Shoppingcenter steht. Übersetzt: Ob es in dieser rot-rot-grünen Truppe noch jemanden gibt, der die Dinger am liebsten in die Luft jagen würde und sogar eine Idee hat, wie.
Die Antwort – so viel sei gleich gespoilert – passt zum Trend, sich dem Shoppingwahn letztlich irgendwie einfach hinzugeben: „Es ist nicht beabsichtigt, den Rückbau von Einkaufszentren als Ziel oder Maßnahme in die Berliner Liegenschaftspolitik aufzunehmen.“ Damit entschärft Senatsbaudirektorin Regula Lüscher jede Bombe. Auch existierten keine Überlegungen, den Rückbau von Malls durch ein Landesförderprogramm attraktiver zu machen.
Unerträgliches Gewusel
Apropos Attraktivität: Deren gänzliche äußerliche Abwesenheit ist neben dem meist unerträglichen Gewusel vor den immer gleichen Läden im Inneren der Hauptgrund, warum man den berlinweit offiziell 73 Einkaufszentren ablehnend gegenüberstehen muss. Komischerweise hat die Branche in den letzten 20 Jahren in dieser Hinsicht nichts dazu gelernt, wie sich etwa an der jüngst eröffneten „East Side Mall“ zwischen Mercedes-Benz-Arena und Oberbaumbrücke in Friedrichshain zeigt.
Aber es gibt Hoffnung, wenn auch keine mit allzu großer Sprengkraft. Derzeit seien nur zwei weitere Einkaufszentren geplant, schreibt Lüscher. Zudem nehme aufgrund der Marktsättigung und sinkendem Flächenbedarf im Einzelhandel die Zahl der Neubauplanungen „deutlich ab“. Stattdessen würden „die Sanierung und Revitalisierung bereits bestehender Center“ in den Fokus der Immobilienwirtschaft rücken. Revitalisierung? Vielleicht löst sich das Problem ja auf biologische Weise.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist