Einigung zur Bankenrettung: Ein Schirmchen im Sturm
Seit über einem Jahr ringen die Eurostaaten, wie sie marode Banken retten sollen. Was jetzt herauskommt ist zu spät und zu wenig, sagen Kritiker.
BRÜSSEL taz | Schluss mit dem Teufelskreis: Künftig sollen die Eurostaaten nicht mehr von Bankpleiten in den Abgrund gezogen werden. Klamme Finanzinstitute sollen vielmehr direkt aus dem Euro-Rettungsfonds ESM gestützt werden können.
Darauf haben sich die Finanzminister der Eurogruppe im Grundsatz geeinigt. Dies sei „ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Bankenunion“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Die Einigung sieht vor, dass der ESM mit insgesamt bis zu 60 Milliarden Euro Banken direkt unterstützen kann. Allerdings wird das frühestens Mitte 2014 möglich sein, wenn die geplante neue Bankenaufsicht steht und weitere Bausteine der Bankenunion stehen. Die neue Hilfe kommt also zu spät für Länder wie Spanien oder Italien, die seit einem Jahr danach rufen, um für den Notfall gewappnet zu sein.
Zudem ist die Hilfe an strenge Bedingungen gebunden. Bevor Geld aus dem ESM fließt, sollen Bank-Eigentümer, Gläubiger und auch Sparer haften – so ähnlich, wie bereits während der Bankenkrise auf Zypern durchexerziert.
Wie die so genannte Haftungshierarchie genau aussieht, ist aber weiter umstritten. Es könne eine lange Nacht werden, hieß es am Rande des Finanzministertreffens in Luxemburg, das am heutigen Freitag fortgesetzt wird.
Keine Selbstbedienung
Über die neuen Direkthilfen aus dem ESM wird bereits seit einem Jahr diskutiert. Für die Verzögerung ist vor allem Deutschland verantwortlich, das von Anfang an auf der Bremse stand. Auch jetzt hat Schäuble einige Sicherungen eingebaut, die verhindern sollen, dass der Steuerzahler für Pleite-Banken geradestehen muss.
So muss ein Land, das Hilfe für seine Banken anfordert, zunächst zwanzig Prozent der Notkredite selbst aufbringen. Zudem müssen die ESM-Hilfen vom Bundestag genehmigt werden.
Eine Selbstbedienung ohne demokratische Kontrolle soll so verhindert werden. Der Haken: Eine rasche und unbürokratische Hilfe wird erschwert. Das trifft vor allem Länder wie Slowenien, die unter einer Bankenkrise leiden, sich aber nicht einem „Vollprogramm“ der Euroretter unterwerfen wollen. Es trifft aber auch Musterschüler wie Irland, das noch in diesem Jahr an die Finanzmärkte zurückkehren möchte.
Die Regierung in Dublin würde gerne nachträglich Finanzspritzen aus dem ESM anfordern, um ihre Schuldenlast zu verringern. Doch Schäuble bremst auch hier: Berlin wolle „unseren irischen Freunden“ entgegenkommen, sagte er. Doch die neuen Regeln sind so komplex, dass Irland wohl noch lange auf Entlastung warten muss.
Zu spät, zu wenig, sagen denn auch Kritiker wie der Finanzmarkt-Experte Wolfgang Münchau. Den Problembanken der Eurozone fehlten nicht 60 Milliarden Euro, sondern mindestens eine Billion.
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