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Einigung auf EU-ReformvertragNoch sind alle zufrieden

Mit dem neuen EU-Vertrag sind noch nicht alle Hürden genommen. Polen deutet an, weitere Forderungen stellen zu können. Auch bei den künftigen Rechten des Parlamentspräsidenten gibt es Unklarheiten

EU-Ratspräsident Jose Socrates und der Chef der Europäischen Kommission, Jose Manuel Durao Barroso, feiern den Reformvertrag. Bild: dpa

LISSABON taz/ap/rtr Nach monatelangem Ringen haben sich die EU-Staaten in der Nacht zum Freitag auf einen Reformvertrag verständigt und damit ein neues Fundament für die Europäische Union gelegt. "Dies ist ein Sieg für Europa - mit dem neuen Vertrag kommen wir aus der Sackgasse heraus, in der wir steckten", sagte der Ministerpräsident Portugals und EU-Ratsvorsitzende Jose Socrates am frühen Freitagmorgen auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Lissabon. Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Einigung, die beim Gipfel in Lissabon erzielt wurde, als "großen Erfolg". Sie kündigte an, dass das Dokument am 13. Dezember unterzeichnet werden solle. Auch der polnische Präsident Lech Kaczynski zeigte sich zufrieden und sagte: "Polen hat im Prinzip alles bekommen, was es wollte."

Die Einigung kam zustande, nachdem Polen seine Forderung nach Festschreibung einer Sonderklausel zum künftigen EU-Abstimmungsverfahren durchgesetzt hatte. Man sei Polen in Form einer Erklärung und eines Protokolls entgegengekommen, sagte Merkel. Es handele sich nur um eine "leichte Ergänzung" zu dem, was als Mandat für den Reformvertrag unter deutscher Präsidentschaft im Juni beschlossen worden sei.

Eine Lösung fanden die EU-Staats- und Regierungschefs auch hinsichtlich der Sitzverteilung im Europaparlament. Italien erhält den geforderten zusätzlichen Sitz, ohne dass die im Reformvertrag festgeschriebene Zahl der Mandate geändert wird. Zwar sollen nach der Vereinbarung im Jahr 2009 insgesamt 751 anstatt wie bislang geplant 750 Abgeordnete ins Parlament gewählt werden, der Parlamentspräsident soll dabei aber nicht als normaler Abgeordneter zählen.

Kurz nach dem die Regierungschefs ihre Einigung verkündeten gab es aber schon die ersten Widersprüche. So hieß es zuerst, dass der Parlamentspräsident bei Abstimmungen kein Stimmrecht mehr haben werde. Dem widersprach der derzeitige Amtsinhaber, der CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering: Die Behauptung, "dass die Abstimmungsrechte des Präsidenten des Europaparlaments eingeschränkt werden, sei falsch. Eine solche Vorgabe sei in keinem der von den EU-Staats- und Regierungschefs gebilligten Dokumente enthalten.

Der polnische Präsident Kaczynski deutete an, dass Polen noch Nachforderungen stellen könnte. "Wir haben beschlossen, dass unsere italienischen Freunde einen zusätzlichen Sitz erhalten. Aber die endgültige Sitzverteilung wird erst im Dezember beschlossen", sagte er. Auch hinsichtlich der Einigung zu den Abstimmungsverfahren in der EU vertrat er eine eigenwillige Interpretation. Nach seiner Auffassung könnte eine Minderheit von Staaten Entscheidungen in Einzelfällen um "mehrere Jahre" verzögern - aus Diplomatenkreisen verlautete indes, ein solcher Fall sei praktisch nicht vorstellbar.

Die wichtigste Errungenschaft des Reformvertrages, der die gescheiterte EU-Verfassung ersetzt, beschrieb Merkel mit den Worten: "Europa wird besser funktionieren." Sie zeigte sich auch zuversichtlich, dass der Vertrag bis zur Europawahl 2009 in Kraft sein werde. Für das Ratifizierungsverfahren bestehe eine "sehr viel höhere Sicherheit als vorher", sagte sie.

Die EU-Verfassung war 2005 am Nein der Franzosen und Niederländer gescheitert. Beim Gipfel versicherte der britische Premierminister Gordon Brown am Donnerstag, dass er den Vertrag dem Volk nicht zur Abstimmung vorlegen werde. Außer Irland, das laut Verfassung ein Referendum abhalten müsse, werde dies auch kein anderes EU-Land tun.

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