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Einigung auf BegleitgesetzWeg frei für EU-Reformvertrag

Die Rolle des Bundestages im EU-Recht wird gestärkt - darauf einigten sich Vertreter der Koalitionsfraktion und der Länder. Damit kann der Vertrag von Lissabon in Kraft treten.

Wollte in dem Verhandlungsergebnis zumindest einen Teilerfolg für die CSU erkennen: Landesgruppenchef Ramsauer. Bild: dpa

BERLIN dpa Bundestag und Bundesrat bekommen mehr Mitbestimmung in EU-Fragen. Darauf haben sich Vertreter der Koalitionsfraktionen und der Länder am Dienstag nach wochenlangen Verhandlungen grundsätzlich geeinigt. Damit soll die Bundesregierung auf wichtigen Feldern der Europapolitik an strikte Vorgaben gebunden werden. Mehr Mitwirkungsrechte für Bundestag und Bundesrat hatte das Bundesverfassungsgericht verlangt, um den EU-Reformvertrag von Lissabon für Deutschland in Kraft setzen zu können. Damit sind die Weichen gestellt, dass der Bundestag in der kommenden Woche über die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag beraten kann.

Bei allen Europa-Vorhaben, die Länderbelange berühren, sollen die Länder und der Bundestag künftig Vorgaben für die Bundesregierung beschließen können. Das gilt für Arbeitsrecht, Umweltpolitik und EU- Haushalt. Die Koalitionsfraktionen und die Länder vereinbarten auf Drängen der CSU, dass die Bundesregierung bei Verhandlungen in Brüssel Stellungnahmen des Bundestages zu kommunalen Aufgaben berücksichtigen soll. Auch zu EU-Verhandlungen über Handelsabkommen wie im Rahmen der Welthandelsrunde (WTO) soll es eine Informationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag geben.

Gestritten wurde in der großen Koalition bis zum Schluss noch über eine von der CSU geforderte Entschließung des Parlaments, mit der die Karlsruher Interpretation des Reformvertrags als verbindlich für Deutschland erklärt wird. Dieser Konflikt wurde am Dienstag noch nicht beigelegt.

Obwohl sie nicht alle Forderungen durchsetzen konnte, zeigte sich die CSU zufrieden. "Ohne das Drängen der CSU hätte es keine Eins-zu- Eins-Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils gegeben", sagte CSU- Landesgruppenchef Peter Ramsauer. "Jetzt haben wir noch mehr erreicht." Dies sei ein Erfolg der CSU. Der Geschäftsführer der SPD- Fraktion, Thomas Oppermann, sagte dennoch: "Die europapolitische Geisterfahrt der CSU ist beendet."

"Es war ein harter Kampf", sagte der Verhandlungsführer der Länder, Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU). "Die Interessen der Länder sind ausreichend berücksichtigt."

Die Linke droht mit einer neuen Verfassungsklage gegen eine deutsche Zustimmung zum neuen EU-Reformvertrag. "Der Entwurf des neuen Begleitgesetzes zum Vertrag von Lissabon ist unzureichend", erklärte der Linke-Europapolitiker Diether Dehm. Grüne und FDP unterstützen dagegen die begleitenden Gesetze zur Umsetzung des Lissabon-Vertrags in Deutschland. "Es ist ein großer Fortschritt für den Bundestag", sagte FDP-Verhandlungsführer Markus Löning.

Das Bundesverfassungsgericht hatte den Vertrag von Lissabon im Juni grundsätzlich gebilligt, aber mehr Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat gefordert. Deshalb muss der Bundestag neue Begleitgesetze schaffen. Die neuen Gesetze sollen am 8. September im Parlament endgültig verabschiedet werden. Der Bundesrat will sie am 18. September beschließen.

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7 Kommentare

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  • RE
    Rudy el Jote

    Unter dem Hintergrund von EU-Recht & Lisabonner Vertrag

    sowie mehr Mitspracherechte diesbezüglich eben auch von der DEUTSCHEN Bundesregierung und dem Parlament,habe ich versucht -unter dem Stichwort

  • D
    DeinFernseherLügt

    Vielleicht sollten sie mal die Möglichkeit der Wiedereinführung der Todesstrafe bei der Ratifizierung des Lissabonvertrages im Internet kundig tun:

     

    Zwar heißt es auf Seite 433 der EU-’Verfassung’ in Titel I, Artikel 2 (2):

     

    ‘Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.‘

     

    In den Erläuterungen zu diesem Artikel, sozusagen versteckt im Kleingedruckten, schimmert dann auf Seite 434 aber durch, wie das zu verstehen ist. In den Erläuterungen finden sich unter Punkt 3 die Ausnahmen von der Regel:

     

    3. Die Bestimmungen des Artikels 2 der Charta (2) entsprechen den Bestimmungen der genannten Artikel der EMRK und des Zusatzprotokolls. Sie haben nach Artikel 52 Absatz 3 der Charta (3) die gleiche Bedeutung und Tragweite. So müssen die in der EMRK enthaltenen “Negativdefinitionen” auch als Teil der Charta betrachtet werden:

     

    a) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:

     

    “Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

     

    a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

     

    b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

     

    c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen”.

     

    Soll das heißen wenn sich Menschen nach der Ratifizierung gegen die EU stellen besteht die Möglichkeit "Aufstände" niederzuschiessen?

    Ich bin schockiert,beweist das Gegenteil sollte das nicht stimmen.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    @ Waltaka:

     

    "Echt demokratisch. Ich zweifle, dass das Bundesverfassungsgericht das so gemeint hat."

     

    Selbstverständlich hat das Bundesverfassungsgericht das so nicht gemeint.

    Das interessiert unsere "politische Garnitur" aber überhaupt gar nicht mehr. Rechtsnihilismus, Verfassungsnihilismus auf der ganzen Linie!!!

     

    Das einzige, was die Politchargen tun, ist, die Fassade aufzupolieren. Dahinter verbirgt sich netzwerkartiges Handeln zum Schaden der (repräsentativen) Demokratie.

    15.000 Lobbyisten in Brüssel, 6.000 in Berlin erledigen die Demokratie zielgerichtet und effizient.

     

    Die politischen Täter in Regierungen und Parlamenten benutzen Europa, um auf "höherer Ebene" ihre antidemokratischen Ambitionen zu realisieren.

    Das Publikum blickt ohnehin nicht durch.

  • F
    franziska.qu

    Die GRÜNE im Europaparlament, Rebecca Harms, am 18.8. in einem Interview im Deutschlandfunk:

     

    "...Wie stark das Engagement des Parlaments, des Bundestages sein wird, das bleibt abzuwarten. Ich hoffe, dass sie die richtigen Prioritäten dann setzen, dass sie ihre Rechte auch tatsächlich nutzen. Die bisherige Erfahrung, wenn ich aus Brüssel nach Berlin gucke, heißt ja, dass die Rechte, die nach einer Vereinbarung bestehen, die es schon seit 1993 zwischen dem Bundestag und dem Bundesrat gibt, die Abgeordneten in Deutschland weder im Bundestag noch im Landtag die Möglichkeiten, die sie haben zu Stellungnahmen zur europäischen Rechtsetzung, nutzen. Sie lassen die weitgehend ungenutzt und da das viel Arbeit macht, sich in die europäische Gesetzgebung einzumischen...".

     

    Interessantes zur 'Arbeit' unserer politischen Klasse im Bundestag.

  • W
    WaltaKa

    Zitat: "Die Rolle des Bundestages im EU-Recht wird gestärkt". Nein, es ist es nur bei oberflächlichster Betrachtung so.

     

    Ohne öffentliche Information, geschweige denn sogar Diskussion, werden in kleinen, kladestin sich treffenden Grüppchen von Abgeordneten (-denn der Bundestag an sich hat Urlaub und die meisten Abgeordneten sind da auch noch-)in aller Schnelle Gesetze geschmiedet.

    Darunter so wichtige, wie jenes, dass dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Mitwirkung der Bundestagsabgeordneten bei Europaangelegenheiten entsprechen soll.

    Da tauchen Gesetzesnamen auf, die niemals zuvor öffentlich waren: -Integrationsverantwortungsgesetz. Darin wird festgelegt, wie europäisches Vertragsrecht geändert werden kann.

    -EUZBBG. Das soll sicherstellen, dass die Bundestagsabgeordneten über EU-Entscheidungen stärker als bisher informiert werden und dazu Stellung nehmen können.

    Interessant: anders als beim Integrationsverantwortungsgesetz kann die Bundesregierung aus sogen. außen- oder integrationspolitischen Gründen von der Empfehlung des Parlaments abweichen. Das heißt, es muß die Regierung letztendlich nicht kümmern, was die Bundestagsabgeordneten da quasseln dürfen. Sie ist lediglich gehalten, "Einvernehmen" mit dem Bundestag herzustellen. Es gibt kein sogenanntes 'imperatives Mandat', die Bundesregierung muß sich an keine Vorgaben halten. SPD-Mann Oppermann: "Es ist also nicht so, dass der Bundestag bei jeder EU-Gesetzesentscheidung zustimmen muss."

    Gleiches gilt beim EUZBLG, dem Gesetz zur Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und den Ländern.

    Das heißt, ausgedeutscht, es bleibt alles beim alten, die Bundestagsabgeordneten haben im Grunde weiter nix zu sagen, sie müssen lediglich 'gehört' werden.

     

    Echt demokratisch. Ich zweifle, dass das Bundesverfassungsgericht das so gemeint hat.

    Im Gegensatz zu denen, die sich jetzt für diese tollen Gesetze auf die Schultern klopfen (nachdem sie früher ihrer Entmachtung schweigend zuschauten), gibt es von Seiten der Linkspartei bereits Gedanken, ob gegen die aktuelle Gesetzesflut, die im Grunde aber nichts ändert, eine weitere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgen soll. Berechtigt, wie ich meine.

    Welch armseliges Bild geben diese Pseudo-Volksvertreter in Berlin da ab.

    Über deren zunehmenden Legitimitätsverlust bei den Menschen darf sich niemand wundern.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Wessen Vertretung ist dieser Bundestag eigentlich?

    Die Interessen der Bevölkerung vertritt er in jedem Fall nicht!

     

    Dass sich ein Parlament in seinen Mitwirkungsrechten selbst beschneidet und vom Bundesverfassungsgericht auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen werden muss, ist wohl ein beispielloser Vorgang.

     

    In der zentralen Frage der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der existenziellen Frage über Krieg und Frieden ist die Mitwirkung des EU-Parlaments im Vertrag von Lissabon nicht vorgesehen.

     

    Die deutschen Parteien haben ganze Arbeit geleistet.

  • B
    ba.vi

    Die Kaiserin ist siecher. Sie bleibt an der macht. „besser mit FDP, aber es geht auch mit SPD.“

    Die SPD zerfällt nicht von oben,sondern von innen. Die Schröders-Erbe “Agenda 2010“

    als Trojanisches Pferd der Union, hat sich gelohnt. Das Solidarität Prinzip als die Grundlage für jede Familie und Gemeinde funktioniert nicht mehr.Kein „Amt“ kann die Familie und die Gemeinde ersetzen.

    Ohne das Solidarität Prinzip gibt es kein „Wohlstand für alle“. Ohne der Wohlstand für alle, gibt es keine Soziale Marktwirtschaft.