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schnittplatzEinheitsbrei mitWürfelzucker

Kennen Sie Erwartungserwartungen? Klar kennen Sie die! Da sitzt man so mit Klaus oder Alida-Nadine, hat grad mal wieder ’ne Beziehungskrise und denkt: „O Gott, der (oder die) glaubt jetzt bestimmt von mir, dass ich von ihm glaube, dass er . . .“ – und am Ende sind alle Erwartungen enttäuscht.

Erinnerungserinnerungen funktionieren ähnlich. Auch die ließen sich jetzt mit Klaus oder Alida-Nadine erklären, aber leichter ist’s mit einer, sagen wir, Silberhochzeit: Das Damals – also die warmen Pfarrersworte, sein Sprachfehler und wie plötzlich die Eheringe partout nicht aufzufinden waren – das alles ist ein trüber, duzendfach wieder aufgewärmter Ankedotenbrei geworden. Viel lebhafter bleibt nach der großen Feier, wie Onkel Erich sich plötzlich den Rotwein über die gute Hose gekippt hat: „Ach Gottchen . . .“ – Und was bleibt von der deutschen Einheit, zwei Tage, nach der großen Feier und den warmen Worten?

Sonne! Kaiserwetter! Und wie das Magazin der Süddeutschen Zeitung die deutsche Teilung letzte Woche doch tatsächlich mit einer Tomate (= West), einer Kartoffel (= Ost) und einer Zuckerwürfelmauer (= Grenze) bebilderte. So einfach ist das.

Ganz zu schweigen von den ganzen Zehn- bis Dreißigjährigen, die in diversen Blättern ihre Einheitsgedanken unters eine Volk brachten, Vorurteile inklusive.

Noch pfiffiger illustrierten die Berliner Seiten der FAZ vom Montag ihre Titelstory „Die deutsche Einheit“ (ein Essay über DIN-Normierung) mit Baukonstruktionszeichnungen von Mauern, Spielplatzwippen und Müllcontainern. Und – apropos Müllcontainer – wohl nur die ZDF-Live-Übertragung der großen Feier gestern am Berliner Reichstag war da noch anschaulicher . . .

Was also ist Geschichte? Wat is enne Dampfmaschin’? Tomaten etwa? Würfelzucker? Müllcontainer und die Puhdys? Ist das alles? Doch halt! Zum Tag der deutschen Einheit ließen auch die „Big Brother“-Macher ihre Schützlinge im RTL 2-Wohncontainer im tiefwestlichen Köln „über Ossis und Wessis“ diskutieren. Das sagte das Ossimädchen Alida-Nadine: „Früher haste dir’n drittes Loch ins Hinterteil gefreut, wenn de mal ’ne Banane hattest, heute vergammeln se inner Obstschale.“

Und das werden wir (ihr) nie vergessen! csch

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