: Einheitliche Bezahlungen wahren
betr.: „Einheitsfront der Lobbyisten“ (Das Beamtenrecht gehört abgeschafft), taz-Kommentar vom 15. 11. 02
Der DGB wollte bis Mitte der 70er-Jahre ein neues Personalrecht für den öffentlichen Dienst auf der Basis von tarifvertraglichen Regelungen. An den Betonfraktionen in den 70er-Jahren im Bundestag und den Ministerien, die ein einheitliches „Dienstrecht“ proklamierten, das auf eine Quasiverbeamtung des öffentlichen Dienstes hinausgelaufen wäre, sind diese Forderungen gescheitert. Ich empfehle dazu die Lektüre des Artikels von Dietrich Haensch in der Kritischen Justiz, 1976, Nr. 1, in dem sich folgende Feststellungen finden:
„1975 hat sich die Krise in der BRD erheblich verschärft; die Reproduktion des privaten Kapitals stockt, die Massenarbeitslosigkeit nimmt zu, die Verschuldung der öffentlichen Haushalte erreicht für die BRD bisher nicht gekannte Ausmaße. Zur gleichen Zeit sehen sich die Angehörigen des öffentlichen Dienstes Restriktionen und Bedrohungen gegenüber, die Besorgnis und Verunsicherung, Arbeitshetze und Angst um den Arbeitsplatz verbreiten: … in den Medien der öffentlichen Meinungsbildung nimmt die Kritik, ja die Hetze gegen den öffentlichen Dienst ständig zu; es wird die Beseitigung von ‚Privilegien‘ und die Abschaffung von Tarifautonomie und ‚Streikrecht‘ gefordert.“ Ohne Textänderungen könnte man 1975 durch 2002 ersetzen!
Ich verstehe die Wendung des DGB gegen regional unterschiedliche Beamtengehälter nicht als Eintreten für den Beamtenstand als solchen, sondern – nachdem regionale Komponenten wie örtliche Sonderzulagen schon in den 80er-Jahren abgeschafft wurden – als den Versuch, einheitliche Bezahlungen (die in den neuen Bundesländern ohnehin nicht gegeben sind) zu wahren. Ich erinnere an den kleinen Entrüstungssturm, als Hessen vor anderthalb Jahren versuchte, LehrerInnen aus den neuen Bundesländern abzuwerben mit dem Versprechen auf volle Bezahlung. Wenn unterschiedlich bezahlt würde, würden Abwanderungstendenzen in den Südwesten und Süden stärker werden.
Nach Untersuchungen des DIW vor zirka drei Jahren sind Beamte auch unter Einbeziehung der Pensionen etwas billiger als Angestellte. Wenn ab sofort nur Lehrer im Angestelltenverhältnis eingestellt würden, müssten Rentenversichungs-, Krankenversicherungs- und Arbeitslosenversicherungsanteile gezahlt werden. Das wäre ein Beitrag zur Sicherung der Sozialversicherungssysteme. Macht das jemand? Nein! Und warum nicht? Weil kurzfristig „gespart“ werden soll – und die Rücklagen für die Pensionen unterbleiben stillschweigend. Dafür werden dann später Pensionszahlungen als nicht bezahlbares „Privileg“ bezeichnet.
Die gedächtnislosen „Staatsdiener“, die nur immer nachplappern, was von oben kommt, finden sich heute in den Redaktionen von Presse und Medien. GUDRUN ROGGE, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen