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Einheit und Zensor

■ Gesamtdeutsches Fußballturnier um den Pokal „Einheit und Zensor“ anläßlich des 17. Juni: Der Senat spielte glanzlos, Pinguine begeisternd und DDR blau-weiß

Charlottenburg. Eine fußballerische Offenbarung war es nicht gerade, was beim 1. Gesamtdeutschen Turnier auf der Westberliner Fußballanlage Westend geboten wurde. Vier minimalistisch eingestellte Mannschaften aus Ost und West kämpften hartnäckig-verbissen unter dem ausgefallenen Motto „Schneller, höher, weiter“ anläßlich des 17. Juni um den von einem Berliner Plattenlabel gestifteten Wanderpokal „Einheit und Zensor“.

„Die Wiedervereinigung ist unausweichlich, aber zensiert wird weiter, und konsequenter Fußball wird nun einmal im Westen gespielt“, gab der Zensor-Mannschaftsführer Burkhard Weiler zum besten.

Zensor 04, die von Weiler vor mittlerweile acht Jahren ins Leben gerufene Hobby-Fußballmannschaft, bestehend aus Berliner Musikern und Journalisten, trat in den traditionellen Dead-Kennedy-T-Shirts „No more Zensorship“ an. Allerdings mit einer absoluten Rumpfmannschaft. Mit lediglich zehn Mann eröffnete das Team das Turnier und konnte somit der haushohen Favoritenrolle leider nicht gerecht werden. Allein der Schöneberger Autohändler „Diego“ Roger „Milla“ wußte durch sein gekonntes und anmutiges Stellungsspiel bestens zu gefallen.

Den optisch angenehmsten Eindruck hinterließ jedoch zweifelsfrei die Tresenmannschaft der Schöneberger Pinguin -Kneipe. „Wir machen Druck“ konnte man den Mannschaftsleibchen entnehmen. Da hatte offenbar der Sponsor zugeschlagen. Die trotz durchwachsenen Wetters rund 150 frohgestimmten Zuschauer wurden zur Belohnung alsbald von der Pinguin-eigenen Videokamera eingefangen und dürfen sich nun etwa vier Wochen lang darauf freuen, im Offenen Kanal gesendet zu werden.

Spielerischen Glanz dagegen konnte nicht einmal der Wissenschafts- und Kultursenat vermitteln. „Wenn unsere Abteilungen auch getrennt wurden, auf dem Platz marschieren wir gemeinsam, und auch, wenn wir den Cup nicht holen, so wollen wir doch zumindest auch Farbe ins Spiel bringen“, ließ der Kulturaustausch-Referent Manfred Fischer in gewohnter Manier verlauten, ohne jedoch nähere Farbangaben machen zu wollen. Zweckoptimismus.

Die richtigen Farben, nämlich die der DDR -Nationalmannschaft (Blau-Weiß), brachte dagegen der DDR -Jugendsender DT64 ins Spiel. DT64, die bereits vor dem Mauerfall dreimal vom Zensor 04 im heimischen Ernst-Thälmann -Stadion bezwungen wurden, waren froh, daß sie endlich einmal rübermachen durften.

Ein übermäßiger Anteil von Brillenträgern sorgte zu Beginn des Turniers für mangelnden Durchblick auf dem Spielfeld. „Wie wir beim Turnier abschneiden, ist uns egal. Hauptsache, wir gewinnen gegen den Zensor“, offenbarte Roland Galensa die geheimsten Hoffnungen der DDR-Auswahl.

Doch seine Hoffnung trügte. Gesamtdeutsch-bieder trennte man sich 0:0, was der durchschnittlichen Torquote von 0,35 Toren pro Spiel doch recht nahekam. Aber schließlich ist die offensichtliche Zurückhaltung des DDR-Teams in Anbetracht der in Kürze anstehenden Währungsreform verständlich: Beim Run auf den Bankschalter am 2. Juni will niemand durch eventuelle Blessuren oder Verletzungen behindert sein. Forza Gesamtdeutschland!

Deutscher Michel

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