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„Eingriffe in den Intimbereich“

■ Strafvollzug: Gutachten rügt Körperkontrollen bei Gefängnisbesuchen als „verfassungswidrig“ / GAL droht mit Gang nach Karlsruhe Von Kai v. Appen

BesucherInnen und Angehörige Hamburger Strafgefangener sind in den vergangenen Jahren bei Knastbesuchen rechts- und verfassungswidrigen Kontrollen unterzogen worden. Zu diesem Ergebnis kommt der namhafte Strafvollzugskommentator Heinz Müller-Dietz, der im Auftrag der GAL-Fraktion ein Gutachten erstellt hat, das der taz im vollständigen Wortlaut vorliegt. Die Fragestellung: „Sind Körperkontrollen – insbesondere bei Frauen und Kinder – bis zur völligen Entkleidung im Schambereich zulässig?“ beantwortet Müller-Dietz mit einem klaren „Nein“.

In den vergangenen Jahren haben das Hamburger Strafvollzugsamt und Sicherheitsbeauftragte in den Gefängnissen zunehmend rigidere Methoden angeordnet, um den Drogenschmuggel in den Knast einzudämmen. Immer häufiger mußten sich Frauen nackt ausziehen, um sich auf Drogen durchsuchen zu lassen (taz berichtete). Der Vollzugsapparat verteidigte die Maßnahmen damit, daß sie „freiwillig“ seien. Die Realität ist: Keine Körperkontrolle, keine Besuchserlaubnis.

Nach Auffassung von Heinz Müller-Dietz ist die in der Bundesrepublik einzigartige Maßnahme ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsphäre. Müller-Dietz: „Sie tangiert den Intimbereich der Betroffenen und kann sich als psychisch-seelische Belastung für die Besucherinnen auswirken.“ Müller-Dietz weiter: „Dies gilt erst recht dann, wenn es sich bei den Besuchern um die Ehefrau oder Verlobte des Gefangenen handelt.“ Die anzuordnenden Kontrollmaßnahmen dürften nicht über das Abtasten mit der Hand, das Ablegen etwaiger Oberkleidung (Jacke, Mantel) und das Abtasten mit einer Metallsonde hinausgehen.

Selbst wenn eine Besucherin unter dem Verdacht steht, sie würde Drogen für einen Strafgefangenen einschmuggeln, dürfte nach Auffassung von Müller-Dietz die Frau nicht zum Entkleiden genötigt werden. Denn dadurch könne der Drogenschmuggel ohnehin nicht verhindert werden, weil es diverse Möglichkeiten gebe, Drogen auch im Körperinneren zu transportieren. Daher sei die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung im Normalvollzug als „unverhältnismäßig“ anzusehen. Gäbe es konkrete Anhaltspunkte für den Drogenschmuggel, kann der Knast laut Müller-Dietz andere Maßnahmen ergreifen, wie die akustische oder optische Besuchsüberwachung, Trennwände oder die Durchsuchung des Häftlings nach dem Besuch.

Die Ermahnung von Müller-Dietz an das Hamburger Strafvollzugsamt: „Die den Besuchsverkehr regelnden – und reglementierenden – Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes sind im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen und anzuwenden. Dazu gehören namentlich die Respektierung der Menschenwürde, des Persönlichkeitsrechts sowie der Schutz von Ehe und Familie.“

Die GAL wird dieses Gutachten umgehend in den Rechtsausschuß der Bürgerschaft einbringen. Peter Mecklenburg ist optimistisch: „Wir gehen davon aus, daß die Vorgaben des Gutachtens in die Praxis umgesetzt werden.“ Sollte das Strafvollzugsamt sich weigern, wird die GAL eine härtere Gangart einschlagen. Mecklenburg zur taz: „Dann werden wir zusammen mit einer Betroffenen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einreichen“.

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