Eingriff in die Privatsphäre: BND überwacht 2.500 Computer
Der deutsche Auslandsgeheimdienst hat tausende Computer heimlich ausgespäht. Die Bundesregierung will dies nicht gesetzlich regeln - dabei sind teilweise auch Deutsche im Ausland betroffen.
FREIBURG taz Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in den vergangenen Jahren rund 2.500 Onlinedurchsuchungen durchgeführt. Das berichtete jetzt der Spiegel. Dass der BND heimlich Computer ausspäht, ist zwar nichts Neues, überraschend ist aber die hohe Zahl.
Bei einer Onlinedurchsuchung wird ein Computer heimlich ausgespäht. Spionagesoftware, "Trojaner" genannt, sorgt dafür, dass der Inhalt der Festplatte und eventuell die Tasteneingaben online an Behörden übermittelt werden. In Deutschland sind Onlinedurchsuchungen bisher nur wenigen Behörden erlaubt: dem Bundeskriminalamt, dem bayerischen Landeskriminalamt und dem bayerischen Verfassungsschutz.
Der Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Klaus-Dieter Fritsche, sagte im April 2007, der BND habe bereits Onlinedurchsuchungen durchgeführt, aber "nicht so viele". Anfang 2008 sprach das Magazin Focus von "rund 60" Vorgängen. Die neue Zahl 2.500 geht wohl auf einen aktuellen Bericht von Fritsche an das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste zurück.
Bislang hat der BND keine ausdrückliche gesetzliche Befugnis für Onlinedurchsuchungen. Im BND-Gesetz heißt es nur, dass er die gleichen nachrichtendienstlichen Mittel anwenden kann wie der Verfassungsschutz. Die meisten seiner geheimen Befugnisse sind aber nur in einer internen Dienstvorschrift geregelt. Dort ist seit Mitte 2005 auch der heimliche Eingriff in fremde Computer aufgeführt. Innenminister Schäuble erklärte 2007, der Verfassungsschutz werde bis zu einer gesetzlichen Regelung keine Onlinedurchsuchungen mehr durchführen. Der BND hat aber weitergespäht.
Bisher hält die Bundesregierung hierfür keine gesetzliche Regelung für nötig. Begründung: Im Inland mache der BND so etwas nicht, und bei Spähaktionen im Ausland sei kein Gesetz erforderlich. Diese Position ist aber kaum haltbar, weil immer wieder auch Deutsche im Ausland von Onlinedurchsuchungen des BND betroffen sind. So wurde voriges Jahr bekannt, dass der Auslandsgeheimdienst monatelang die E-Mail-Kommunikation der Spiegel-Journalistin Susanne Koelbl mit dem afghanischen Handelsminister mitgelesen hatte, da auf dem Computer des Ministers BND-Spähsoftware installiert war. Der Bundestag rügte den BND dafür scharf. Die Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) und Max Stadler (FDP) forderten am Wochenende neue Rechtsgrundlagen für BND-Trojaner. Wolfgang Wieland von den Grünen will dem Geheimdienst Onlinedurchsuchungen ganz verbieten. "Wir lehnen den heimlichen Eingriff in die Privatsphäre auch im Ausland ab", sagte Wieland der taz.
Ex-BND-Präsident Hansjörg Geiger forderte: "Der Bundesnachrichtendienst muss sich auch im Ausland an menschenrechtliche Standards halten." Das sagte Geiger zur taz. Die Bundesregierung plant laut Spiegel nur eine neue Verwaltungsvorschrift. Danach müsste der BND-Chef Ernst Uhrlau jeder Onlinedurchsuchung zustimmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften