■ Einfrieren von Entwicklungshilfe?: Denkfaulheit des Westens
Die Staats- und Regierungschefs waren sich auf dem Sondergipfel der EU im finnischen Tampere einig: Sie setzten den neuen Militärmachthabern in Islamabad eine Frist bis 15. November.
Sollten diese bis dahin die Demokratie nicht wiederhergestellt haben, müssen sie mit der Streichung der der EU-Entwickungshilfe rechenen. Großbritannien möchte Pakistan außerdem aus dem Commonwealth verbannen.
„Wir sind sehr besorgt: Korruption, Misswirtschaft, zunehmende Armut – und nun die Armeeherrschaft.“ Die britischen Ministerin Clare Short übersieht eines: Das Eingreifen der Armee ist nicht der Tiefpunkt einer ständigen Abwärtsbewegung, sondern der Versuch, sie zu beenden. Die Armee – die einzige noch funktionierende staatliche Institution – geht gegen die von demokratisch gewählten Politikern verursachte Korruption und Misswirtschaft vor.
Intellektuelle, NGOs, Journalisten, Fachverbände, Bürgergruppen haben die Vertreibung der Regierung Sharif begrüßt. Viele von ihnen kämpften in den Siebzigerjahren gegen die Militärdiktatur und waren dafür im Gefängnis. Sie hoffen jetzt, dass es der Armee diesmal nicht um die Abschaffung der Demokratie, sondern um die Zurückdrängung der Gegner der Demokratie geht.
Die Geberländer fanden nichts dabei, dem korrupten Sharif Entwicklungshilfe zu leisten. Genauso wenig hatten sie aufgehört, Pakistan während der letzten Militärdiktatur zu unterstützen. Beides geschah mit der durchaus verständlichen Begründung, die Zivilgesellschaft stärken zu wollen, seien es doch deren Institutionen, die die Willkür des Staates kritisieren.
Nun droht ausgerechnet diesen Institutionen ein Entwicklungshilfestopp der EU. Die Armee, die eingeschritten ist, um die Erosion der Demokratie aufzuhalten, soll mit dem selbstgerechten Blitzstrahl der internationalen Ächtung getroffen werden.
Der Historiker Imran Hamid, ein scharfer Gegner der Militärherrschaft, sieht hier Denkfaulheit am Werk: „Jeder Potentat braucht nur das Wort Demokratie in den Mund zu nehmen, und die Sympathien des Westens fliegen ihm zu.“ Wenn eine Armee sich erdreiste, der Korruption und Misswirtschaft den Kampf anzusagen, werde sie bestraft – z. B. mit der Streichung des EU-Programms gegen Kinderarbeit. BI
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