: Einer wie Heinz
■ Vom Rosenkavalier unter Bremens Entertainern: Heinz Rohde, Humpen und Posaune / „I must remember this“
Rosen! Rosen für Heinz. Unglaublich. Gerade noch war die Stimmung so, daß man glaubte, zwei Bierhumpen durch die dicke Kneipenluft segeln zu sehen, und zwar in Richtung Bühne. Und nun sind es doch nur Plastikrosen. Später soll noch eine echte, rosenrote sich hinzustehlen.
Aber da ist Heinz schon vollends trunken, vor Freude und auch vom Gerstensaft. Ja: Glück und Mißerfolg, rote Rosen und blaue Augen liegen dicht beieinander in Heinzens Metier. Denn Heinz ist Entertainer.
„Irgendwie ist das einem ja peinlich, aber auf 'ne angenehme Art“, beschreibt Heinz sein Alleinunterhalter-Credo. Sich so bloßzustellen, allein mit Posaune, Klampfe und elektronischem Rhythmusknecht auf der kleinen Bühne z.B. im „Floh“, der Zigarrenkiste unter den Bremer Räucherbuden — sowas ist nämlich gar nicht seine Art. „Im Grunde gehe ich sehr ruhig durch mein Leben“, sagt er. Und schon flackert da wieder etwas unruhig hinter den Brillengläsern, irgendein verteufelter Blues oder was.
So schlagen die beiden Herzen in Heinzens Brust. Das eine eher im steten Marschrhythmus, das andere hingegen im 9— bis 15/16tel Takt, hektisch, unbeständig und irr. Das mit dem Marsch ist rasch erklärt: Von Jugend an begeisterter Blechbläser, zumal auf dem Lande in Nordhessen aufwachsend, „bin ich mit Jugendfeuerwehr, Fußballverein und Posaunenchor praktisch großgeworden“. Und auch so manches Schützenfest verschönerte Heinzens beherztes Gebläse. Daher also.
Woher aber diese schrägen Töne, diese nervös klappernden Rhythmen? Irgendwann war es Heinz wahrscheinlich leid, seine geheimen Leidenschaften im Bremer Bläser-Ensemble verbergen zu müssen. Auch an der Musikhochschule, wo er derzeit dem Abschluß entgegenspielt, steht das disziplinierte Spiel ja wohl hoch im Kurs. Hingegen allein auf der Bühne — „da geht was 'raus“.
Und was! Leise, wehmütige Klagelieder, in denen Heinz — ganz in quasi-religiöser Schmerzensmann-Pose — die „Deviltown“ (Bremen womöglich) bejammert; dann wieder beherzter Gitarrenkrach, aus dem irgendwo „Lucy in the Sky“ als Coverversion herauslugt; alsbald ein schräges Schunkellied, bei dem die versammelte Country&Western-Saufseligkeit herüberschwappt. Und immer wieder: Posaune solo. „You must remeber this...“, und da wird es ganz stille unter den Lederjacken und —nacken im „Floh“. Ergriffen bricht Heinz ab. „Wunderschön“, grölt es vom Tresen. Applaus, befreiendes Gelächter und eine neue, große Runde Pils.
Wäre es doch immer so. Auch einer wie Heinz lebt schließlich vom Applaus. Als im vergangenen Jahr, in der Heimat, nur acht zahlende Gäste zu einem der raren Heinz-Konzerte kamen (womit ca. 392 zum „Ausverkauft!“—Schild fehlten) — da wollte Heinz schon aufstecken. Wollte, zumal in minderen Geldnöten befindlich, einen Teil sei
hier Trompeter
Heinz, wie er uns den Blues verkündetF.: J. Oberheide
ner ohnedies nur rudimentär zu nennenden „Anlage“ versetzen. Aber da war ein alter Freund davor. Der begeisterte dann die Bärbel, die herzensgute wie auch tüchtige „Floh“-Wirtin, für die schöne Heinzmusik. Und so ist Heinz wieder im Geschäft. Wie
ginge es auch anders. Als einsamen Hometape-Täter läßt sich Heinz nicht vorstellen. Er muß hinaus, uns den Blues verkünden. Auch, wenn's ihm hundertmal peinlich ist. Schließlich gibt's reichlich Löhnung, gibt's allemal: Rosen und Bier. tom
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