: Eine subversive Grünpflanze im Unterhaus Von Ralf Sotscheck
Einmal im Jahr wird ein Kleeblatt zur subversiven Pflanze: am 17. März, dem Geburtstag des irischen Nationalheiligen St. Patrick. Mit Hilfe eines dreiblättrigen Kleeblattes soll Patrick den Iren vor langer Zeit die Dreifaltigkeit erklärt haben. Die Pflanze ist daraufhin neben der Harfe zum National-Emblem avanciert und gehört am „St. Patrick's Day“ ins Knopfloch jeder Jacke. Der britische Labour-Abgeordnete Harry Barnes und sein Tory-Kollege Peter Bottomley wollten am vergangenen Donnerstag „eine Geste der britisch-irischen Freundschaft“ organisieren. Die irische Fluggesellschaft Aer Lingus sollte Körbe voller Kleeblätter nach London fliegen, wo sie im Foyer des Unterhauses an die ParlamentarierInnen verteilt werden sollten. Der linke Labour-Flügel witterte freilich ein unionistisches Komplott, weil Barnes und Bottomley der Organisation „New Consensus“ angehören, die für die Union Nordirlands mit Großbritannien eintritt. Irgend jemand informierte heimlich die irische Botschaft in London, die daraufhin den Sonderflug mit den Gewächsen stoppte. Bei Aer Lingus wollte niemand mit der Sprache herausrücken, wer nun eigentlich interveniert hatte. Ein Sprecher sagte lediglich, es sei „einfach unheimlich wichtig, daß bei einem solchen Unternehmen die entsprechenden Kanäle eingeschaltet und alle Anstandsformen gewahrt“ würden.
Genau. Ein Kleeblatt ohne offiziellen Segen könnte unabsehbare Folgen für Politik und Moral haben. Dennoch entbrannte im Parlamentssaal eine hitzige Debatte um den Alten mit dem Krummstab. Patrick hatte im 5. Jahrhundert in Irland gründliche Arbeit geleistet: Er vertrieb nicht nur die Schlangen, die sich seitdem nie wieder auf die Grüne Insel gewagt haben, sondern bekehrte die Iren auch so nachhaltig zum Christentum, daß laut einer Umfrage noch immer vier Fünftel der EinwohnerInnen mindestens einmal pro Woche in die Kirche rennen. Die Unterhaus- Sitzung begann am Donnerstag denn auch recht fromm. Zunächst überbrachten die katholischen Abgeordneten Nordirlands nacheinander „St.-Patricks-Tag- Grüße“ aus ihren Wahlkreisen. Dann sprang auch der ultrarechte Presbyterianer-Pfarrer Ian Paisley auf. Zur allgemeinen Verblüffung verteufelte er Patrick jedoch nicht als papistischen Spitzbuben, sondern forderte, den „St. Patrick's Day“ auch in Nordirland zum gesetzlichen Feiertag zu erheben. Aus dem Munde Paisleys klang das etwa so, als wenn Königin Elisabeth die Republik ausrufen würde. Doch Paisley erklärte listig, daß damit alle zufriedengestellt wären: „Die Katholiken, weil sie glauben, Patrick sei katholisch gewesen; und die Protestanten, weil sie wissen, daß er protestantisch und britisch war.“ Nun schaltete sich auch der britische Nordirlandminister Patrick Mayhew ein, der lauthals verkündete, daß er zwar keinen der diversen Geburtsorte des Heiligen repräsentiere, aber zumindest nach ihm benannt sei. Das war weder komisch noch klug, weil er damit die Aufmerksamkeit der Unionisten auf sich lenkte: „Die Privatisierung des Nordirlandministeriums würde bei uns auf große Begeisterung stoßen“, tobte Paisley-Freund William McCrea. „Dadurch würde ein Nest von Leuten ausgeräuchert, die mit unseren politischen Feinden flirten und heimlich mit Mördern verhandeln.“ Es war ein typischer St.-Patricks-Tag.
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