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Eine schöne alte Rechnung

betr.: „Fidel hatte vielleicht doch Recht“ (Jan Stage berichtet seit vierzig Jahren mal melancholisch, mal abgeklärt und oft mitfühlend von den Krisen und vom Alltag der einfachen Leute) von Renée Zucker, taz vom 25. 6. 02 (politisches Buch)

Der von Renée Zucker als mitfühlender Reporter geschilderte Jan Stage verfällt nur einmal einem archaischen Rachegedanken: Mit der Erinnerung an die kosovo-albanischen Frauen, die von serbischen Soldaten vergewaltigt und massakriert wurden, wünscht er den serbischen Offiziersfrauen das gleiche Schicksal. Die Serben sollten ihre eigene Medizin zu schmecken bekommen, schreibt er.

Doch es entgeht ihm eine Kleinigkeit: Nicht die serbischen Frauen, sondern die serbischen Soldaten begingen die Verbrechen. Will er die Angehörigen für die Taten der Täter strafen? Will er die Täter strafen, indem er ihnen die entehrten Leiber ihrer Frauen vorwirft? Eine schöne alte Rechnung: Der Soldat sitzt ungeschoren draußen vor der Tür, und der gegnerische Soldat rächt sich an ihm, indem er seine Frau vergewaltigt.

Die von Stage gewünschte Rache hätte doch wohl in der Vergewaltigung und Massakrierung der serbischen Soldaten bestanden. Diese Vorstellung ist ebenso absurd, wie es gegen jede Logik und Menschlichkeit ebenso selbstverständlich ist, sich an den Körpern der Frauen für die Verbrechen der Männer zu rächen.

GABRIELE KÄMPER, Berlin

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