: Eine poetische Fernreise für zwölf Mark
■ Der Regisseur Veit Helmer traut sich was: Er will „Weltfilme“ machen. In der Schauburg stellte er jetzt sein Werk „Tuvalu“ vor und sprach mit der taz
Da hat sich einer was getraut: Völlig ohne Dialog, mit einem internationalen Schauspielerensemble und gedreht in Sofia, ist Veit Helmers Film „Tuvalu“ eine poetische Groteske. In ihrem Mittelpunkt steht eine alte Badeanstalt, die die Guten mit viel Liebe und Improvisationstalent weiterzuführen versuchen, während ein ruchloser Profithai das Bad mit allen Tricks in die Pleite treiben will, um es abzureißen und durch eklige Betonbauten zu ersetzen.
taz: Herr Helmer, sind Sie in einem alten Schwimmbad aufgewachsen, oder woher kommt sonst dieses zentrale Bild Ihres Films?
Veit Helmer: Ich liebe es zwar zu schwimmen, aber ansonsten steht das Schwimmbad in „Tuvalu“ für Filmpaläste, Varietés, Theater und andere Orte des öffentlichen Vergnügens und gesellschaflichen Lebens, die immer mehr verdrängt werden durch Internet-Chatrooms und virtuelle Sexaffären.
Nun ist aber im Presseheft von „Tuvalu“ auch eine Internetadresse (www.movie.de) angegeben. Widerspricht das nicht völlig dieser Intention des Films?
Stimmt, das ist inkonsequent, aber ich habe mich bewusst dazu entschieden, mich als Produzent und Regisseur des Films ganz aus seiner Vermarktung herauszuhalten. Diese hat Buena Vista übernommen, und bei denen muss jeder Film eine Webpage haben. Ich halte das für unsinnig, denn das Zielpublikum, das ich mit meinem Film anspreche, wird sich bestimmt nicht durch eine Webpage dazu verleiten lassen, ins Kino zu gehen.
Die Schauspieler haben Sie sich in der ganzen Welt zusammengesucht, gedreht haben Sie in Bulgarien, der Stil liegt irgendwo zwischen dem französischen poetischen Kino und Kusturicas Grotesken. Warum haben Sie sich so angestrengt, den Film so wenig deutsch wie nur möglich wirken zu lassen?
Sehen Sie, die gleiche Straße wie die hier vor dem Kino hätte in Sofia viel mehr Charisma, Patina und Kinoqualitäten. Mich reizt es nicht, etwa Vor dem Steintor in Bremen meine Kamera aufzubauen. Es ist doch die Fremde, die uns reizt. Und ich bin zwar ein Deutscher, aber für mich ist „Tuvalu“ kein deutscher Film. Da spielen französische, amerikanische, russische, rumänische und bulgarische Schauspieler mit. So wie es Weltmusik gibt, möchte ich, dass für meinen Film ein neuer Begriff benutzt wird, und das ist „Weltfilm“.
Wie sind Sie zu diesem Stil des völlig dialogfreien Kinos gekommen?
Ich verstehe gar nicht den Trubel, der um dieses inzwischen ja durchaus bewährte Stilmittel gemacht wird. In gewisser Weise ist es mein stummer Aufschrei gegen das viele Gesabbel im Kino und Fernsehen. Das was mich im Kino interessiert, sind starke Bilder, und die kann man kaum mit redenden Gesichtern machen. Hitchcock hat mal gesagt, „Alles, was gesagt statt gezeigt wird, ist für das Publikum verloren“, und das wollte ich einfach mal auf die Spitze treiben.
Der Titel beschwört ja schon großes Fernweh, und sowohl in der Machart wie auch in der Grundstimmung Ihres Films scheinen Sie immer das Fremde, Exotische, Weite zu suchen
Ich liebe es zu reisen, und ich denke, das Kino ist dem Reisen sehr nah. Und ich möchte, dass auch der Zuschauer mit meinem Film auf Reise geht. Von dem Moment an, wenn er sich für zwölf Mark im Kinosessel zurücklehnt, will ich ihn auf eine Fernreise mitnehmen. Das geht aber nur, wenn der Regisseur inspiriert ist. Wenn er einfach die Kamera in seiner WG aufstellt und eine Beziehungskomödie dreht, dann ist das sozusagen eine Nahreise. Da könnte man mit der Straßenbahn billiger verreisen.
Fragen: Wilfried Hippen
„Tuvalu“ läuft ab Donnerstag täglich in der Schauburg
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