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Eine kurzsichtige Augenzeugin

■ Börsenprozeß: Umstrittene Zeugin und der RAF-Hungerstreik / Politiker-Ladung beantragt

Frankfurt/Main (taz) - Geht es nach der Verteidigung, dann werden im Frankfurter 129a-Prozeß (Anschlag auf die Wertpapierbörse) die RAF-Gefangenen Helmut Pohl und Karl -Heinz Dellwo vernommen werden. In einem am letzten Verhandlungstag gestellten Beweisantrag fordern die Anwälte zudem die Ladung von Staatssekretär Kinkel (Bundesjustizministerium) und diverser Länderjustizminister sowie dem Regierende Bürgermeister von Berlin, Momper. Die Politiker sollen bezeugen, daß der Anschlag auf die Frankfurter Wertpapierbörse am 12. April 1989 (71. Tag des Hungerstreiks) in einer Situation erfolgte, in der sich die Gefangenen Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes in akuter Lebensgefahr befanden.

Die Angeklagten stehen unter dem „Verdacht der gemeinschaftlichen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit jeweils mit schwerer Brandstiftung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung“. Drei von ihnen waren kurz nach dem Anschlag unweit der Börse festgenommen worden, nachdem Bauarbeiter sie drei Straßen weiter wiedererkannt haben wollen. Die Verteidigung bezweifelt das: Die Gruppe sei beim Verlassen der Börse noch vermummt gewesen. Auch andere Zeugen sind umstritten: Einer der Angeklagten, Stefan F., wurde erst Wochen nach dem Anschlag festgenommen, nachdem ihn eine Augenzeugin wiedererkannt haben will. Konnte die Brillenträgerin, die zum Zeitpunkt - kurze Zeit vor dem Anschlag - ihre Sehhilfe nicht trug, überhaupt eine Person auf sechs Meter Entfernung erkennen? Ein Gutachten des Universitäts-Klinikums bejaht das: auf Grundlage alter Krankenakten und ohne Untersuchung der kurzsichtigen Augenzeugin.

Michael Blum

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