: Eine gewisse Nettigkeit
■ Premiere der neuen Filme vom Aufbaustudiengang Film: Sie haben wenig zu erzählen, tun das aber recht schön
Vorweg: Wir haben hier Schwierigkeiten, eine Haltung zu finden. Schließlich sind die Filme, um die es geht, Fingerübungen. Kurzfilme sind es sowieso, darüber hinaus Übungsfilme der Regie- und Drehbuchstudenten des Aufbaustudiums Film der Universität Hamburg. Die sollte man nicht vorschnell mit überzogenen Kriterien totschlagen. Einerseits.
Andererseits klang es bei der Gründung eben des Aufbaustudiums, wenige Jahre ist es her, so, als sollte am Narrativen der deutsche Film genesen. Was Hark Bohm, der die Leitung des Studiengangs übernahm, seinen Schülern einzubimsen versprach, war dies: keine formalen Experimente, keine intellektuellen Ausflüge, sondern erzählen, erzählen, erzählen, und zwar alltägliche Geschichten und mit solidem Handwerk. Da befürchtete man natürlich, fortan nur noch Filme zu sehen, die Bohms Kleinem Staatsanwalt oder seiner Yasemin ähneln (gut gemachte Streifen übrigens, jedoch wären bei einem Überangebot dieser „narrativen Filme“ (H. Bohm) gewisse Erstickungsanfälle nicht auszuschließen). Inzwischen ist manche Aufgeregtheit verraucht. Trotzdem – wir bleiben bei „andererseits“ – bietet eine Präsentation von Übungsfilmen aus dem Studiengang an, einmal nachzuschauen, was aus Bohms Eleven zu werden verspricht. Am kommenden Dienstag findet eine solche Präsentation statt.
Eins fällt bei den fünf Filmen von acht bis zwölf Minuten Länge durch die Bank auf: Sie haben nicht viel zu erzählen, das machen sie aber sehr schön. In allen Filmen geht es um die ewige Geschichte zwischen Mann und Frau, in zweien genauer darum, daß einem Mann seine Frau zu dick ist und er sie zu Diät respektive Fitneßtraining zwingt; in einem um eine Eifersuchtsgeschichte; in noch einem um die zärtlich knospende Pflanze der Liebe zwischen Teenagern; im letzten schließlich – dem besten Film – um einen Polizisten, der von seiner Frau zu so ausgiebigem Sex genötigt wird, daß er ständig zu spät zur Arbeit kommt.
Auflösung von Bewegungsabläufen, die eine oder andere Gewagtheit, das alles klappt schon ganz gut. Nur daß man beim Sehen oft diese Sätze mithört: Wie lösen wir das jetzt besonders geschickt? besonders professionell? besonders gelungen? Aber das ist bei Übungsarbeiten wohl so. Ansonsten reicht die Spannweite von hübsch gemachter Nichtigkeit (Gegessen wird zuhaus . .. , bei dem allerdings Barbara Auer mitspielt und in einer Einstellung sehr schön aussieht) bis zur lustig überzogenen Alltagsstudie (Die mit dem Bauch tanzt, nur daß, typisch deutsch, lustig dann doch nicht reicht, sondern auch noch eine Moral rein muß). Der Polizistenfilm Die hirnlose Frau ragt vor allem durch das Drehbuch heraus, verbleibt aber auch in einer gewissen Nettigkeit.
Was wird also aus den Regie- und Drehbuchstudenten? Nun, irgendwo zwischen Filmförderung, Musikclips, Fernseh-Vierteiler und Werbeaufnahmen werden sie ihr Plätzchen finden. Insofern erfüllt der Studiengang seinen Auftrag voll und ganz. Wir aber hoffen, daß es irgendwo noch anderen Nachwuchs gibt: nicht so nett, vielleicht auch nicht so gekonnt, aber – lebendig.
Dirk Knipphals
2. Mai, Zeise-Kino, 18 Uhr
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