piwik no script img

Eine Woche neues "Heute"-StudioKnall auf Knall

Im neuen Nachrichtenstudio übertreibt es das ZDF mit Effekten. Aufwändige 3D-Grafiken bringen nicht zwangsweise Erkenntnisgewinn.

30 Millionen Euro hat sich das ZDF sein neues Nachrichtenstudio kosten lassen. Bild: dpa

Besitzer neuer Sportwagen laden für gewöhnlich erst mal Kumpels zu einer Spritztour ein. Dann peitschen sie die Gänge in die Höhe, wie sie es mit Familie an Bord nie wieder tun werden.

Ähnliche Reflexe zeigen gerade Steffen Seibert und die anderen ZDF-Gesichter: In ihrem neuen Nachrichtenstudio, das heute eine Woche in Betrieb ist, stellen sie unentwegt zur Schau, was die 30 Millionen Euro teure Technik hergibt. Der Unterschied aber ist, dass der Alltag längst eingekehrt ist, die Zuschauer schon einschalten. Und die dürfen sich seit Freitag kräftig die Augen reiben.

"Heute journal"-Moderator Claus Kleber ist das beste Beispiel dafür, wie seltsam sie in der Sendezentrale auf dem Mainzer Lerchenberg noch in ihrem neuen "Studio N" hantieren. Da sitzt er plötzlich vor der Kamera, lehnt sich mit dem Arm an das elf Meter lange "Informationskreuz", den futuristischen Moderationstisch, um den "Aussteiger" der Sendung anzumoderieren.

Diese gewollt lässige Haltung ist albern und vor allem unangebracht, wie auch viele der aufwendigen 3-D-Grafiken, mit denen das ZDF verspricht, die Welt besser als früher erklären zu können. Gleich in der ersten Sendung etwa tut sich neben Kleber eine Angela Merkel in Übergröße auf, die auf einer Deutschlandkarte ruht, aus der wiederum Wahldiagramme ragen - absolute Überfrachtung.

Hier bleibt - wie auch bei der Illustration einer anstehenden Bergetappe der Tour de France - der Eindruck zurück: 3-D-Grafiken mögen auf den ersten Blick nett aussehen, bringen aber nicht zwangsläufig viel Erkenntnisgewinn. In beiden Fällen wär eine eingeblendete 2-D-Grafik hilfreicher gewesen, zumal bei der Radsportgrafik wichtige Informationen fehlten, etwa die Orte, an denen Berg- und Sprintwertungen gestoppt werden.

Nichtssagende Effekte - sieht so der moderne TV-Journalismus aus, mit dem das ZDF das abwandernde Publikum zurückerobern will? Die Praxis, auf Biegen und Brechen jede Möglichkeit auszureizen, sollten sie überdenken: Moderatoren müssen nicht im Studio herumlaufen, um zu zeigen, wie toll die Technik ist.

Diesen Eindruck hinterlassen die "heute"-Nachrichten, vor allem aber das "heute journal" nach der ersten Woche. Positiv fällt lediglich auf, wie man dort auf mehr Gespräche setzt und sich so von der Konkurrenz abhebt.

Schließlich haben sie in der ersten Woche auch gezeigt, wie sinnvoll ein punktueller Einsatz teurer 3-D-Technik sein kann. Da war eine aufwendige Grafik, die das Versinken der Häuser in Nachterstedt zeigte: Eine von Schnickschnack befreite Animation ließ eindrücklich die Dimensionen des Unglücks erkennen. Das klappte auch beim Thema Mondlandung gut. Warum? Weil die Animationen Wochen zuvor entstanden. In aller Ruhe.

Vielleicht brauchen sie beim ZDF auch nur eine Schonfrist, etwa die 100 Tage, die auch jedem neuen Spitzenpolitiker eingeräumt werden. Vielleicht verabschieden sie sich bis dahin ja von Effekthascherei und konzentrieren sich auf den sinnvollen Einsatz neu gewonnener Möglichkeiten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • N
    Nadine

    "Da war eine aufwendige Grafik, die das Versinken der Häuser in Nachterstedt zeigte [...]Das klappte auch beim Thema Mondlandung gut. Warum? Weil die Animationen Wochen zuvor entstanden. In aller Ruhe.

     

    Gibt es beim ZDF jetzt auch Hellseher? Oder hat man Grafiken von versinkenden Häusern auf Halde liegen, man weiß ja nie?

  • H
    Hartmut

    Die taz wurde doch gerade erst, erfolgreich wie ich finde, überholt.

    Mir ist das auch alles zu viel. Ich will es gar nicht alles verdammen, aber wenn die Moderatoren beim anmoderieren eines Interviews durch den Raum latschen, dann bin ich vollkommen abgelenkt vom Thema. Ich will einräumen, dass es aber auch daran liegen kann, dass es alles noch sehr ungelenk wirkt. Insbesondere Herr Kleber wirkt wie ein Fremdkörper im Studio. Ich dachte schon zwei, dreimal, ich sei bei der Augsburger Puppenkiste und fängt gleich an von Lummerland zu singen. Ich bin gespannt auf Frau Slomka.

    Auch wirken die Moderatoren manchmal seltsam ausgeschnitten. Mir scheint die Technik da nicht völlig ausgereift.

    Insgesamt aber ist der Weg gar nicht so schlecht. Nur eben zu viel, da stimme ich dem Artikel voll zu.

    Worüber ich mich beim ZDF aber am meisten ärgere, ist diese Wahl Intensiv Sendung von Frau Illner. Ich habe ja schon länger vermutet, dass sie ein CDU Parteibuch hat. Spätestens seit ihrem Interview mit Steinmeier. Aber was sie in dieser Sendung mit den Grünen abgezogen hat war so unter alles Sau. Nur zynisch, kaum informativ. Abwertend hetzt sie da ihre "Gäste" (wenn man das so da noch nennen darf) durch die Sendung und startet bei einer eh schon knappen halben Stunde noch peinliche Ratespiele mit schlecht informierten Schauspielern zu völlig belanglosen Fragen.

    Auf der Zdf Seite kommentierte jemand, an solle die Sendung umbenennen in Illner Manipulativ.

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

  • GS
    Gunther Schirmer

    Ich finde das neue Studio gut. Vor allem die Farben sind sehr beruhigend und modisch.

    Dass sich die Moderatoren teilweise noch recht linkisch bewegen, ist fehlende Übung. Dagegen ist doch die Tagesschau wie die MDR-'Studios.

    Ich kann mir auch wirklich den ultrasteifen Jan Hofer nicht in einer modernen Umgebung vorstellen.

    Also weniger meckern und mal nachdenken, ob es nicht an der Zeit wäre, die taz zu überholen.