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Eine Nanny für die SPDDie neue Supersozin

Die Sozialdemokraten versuchen mit der RTL-Familienberaterin Katharina Saalfrank Stimmen zu gewinnen. Ihr selber wird der Medienrummel langsam unheimlich.

Katharina Saalfrank - die neue Erziehungsbotschafterin der SPD (neben dem SPD-Landesvorsitzenden Michael Müller). Bild: dpa

Bestimmt waren sie später total stolz, die drei Mädchen aus der "Kleinen Grundschule" in Großwudicke. Denn sie durften mit der Super Nanny flüstern. Zu viert steckten die Mädchen und der TV-Star die Köpfe zusammen, schließlich richtete die Super Nanny das Wort an den SPD-Bundestagskandidaten Martin Gorholt. Die vier hätten eine Frage, es sei "eine Gruppenarbeit" gewesen. "Also, wir würden gerne wissen: Warum tragen Politiker eigentlich immer Anzüge?"

Gorholt stammelte etwas von "einer schwierigen Frage" und "weil man das in der Öffentlichkeit möglicherweise erwartet". Es war ein heißer Vormittag in Großwudicke. Gorholt schien es bei dieser Frage in seinem Anzug besonders warm geworden zu sein.

Der Politiker in Anzug und Krawatte auf der einen Seite, die Super Nanny mit Ray-Ban-Sonnenbrille, Stiefeln und hochgekrempelter Jeans auf der anderen - nicht nur im Stuhlkreis waren Kandidat und TV-Star weit auseinander. Es sind zwei Welten, die bei dem Wahlkampfauftritt von Katharina Saalfrank und der leidenden Volkspartei SPD in diesen Wochen aufeinandertrafen.

Auf Tour mit der SPD

Seit einer Woche ist Saalfrank, die Familienberaterin aus der RTL-Serie, in Diensten der SPD unterwegs. Bei neun Terminen wird sie mit Bundestagsabgeordneten oder -kandidaten, mit Kreisbeigeordneten, Fraktionsvorsitzenden und Staatssekretären auftreten und ein wenig von ihrem Glanz und ihrer Glaubwürdigkeit, ihrer Weiblichkeit und Jugendlichkeit der SPD abgeben - alles Dinge, die den Sozialdemokraten im Moment fehlen. "Ich möchte die Politik auf den Prüfstand stellen und sie mit zu den Menschen nehmen", sagt Saalfrank. Seit 12 Jahren ist sie Parteimitglied, durch einen persönlichen Kontakt zu Generalsekretär Hubertus Heil ist die Idee zu einer Veranstaltungsreihe entstanden. Und die führt an diesem Morgen ins Milower Land an der brandenburgischen Grenze zu Sachsen-Anhalt.

Saalfrank lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass es ihr um die Sache geht. Sie lässt sich durch die Schule führen, über den Pausenhof, fragt, hört hin, spielt Rundlauf mit den Schülern und schaut beim Fußball zu. "Toll, dass so viel Sport angeboten wird", sagt sie. Die Kita besucht sie ohne Journalisten und Fotografen. Zu viel Trubel für die Kinder.

Obwohl sie ein Millionenpublikum seit Jahren in ihrer Fernsehserie Woche für Woche beobachten kann, scheint ihr der Rummel um ihre Person suspekt zu sein. "Verwundert" sei sie, dass so viel Medieninteresse besteht. "Sonst bin ich auch mit Veranstaltungen unterwegs", sagt sie, "das scheint weniger zu interessieren." Aber jetzt ist Wahlkampf. Und mit dieser neuen Rolle als sommerliche Vorkämpferin fremdelt Saalfrank.

Doch den Mechanismen von Wahlkampf und Sommerloch kann sie nicht mehr entkommen. Am Wochenende meldete sich die SPD-Familienpolitikerin Marlene Rupprecht zu Wort und verlangte im Spiegel eine Erklärung von Generalsekretär Hubertus Heil, warum Saalfrank im Wahlkampf eingebunden werde. "Kinder dürfen nicht benutzt werden, um Quote zu machen", sagte Rupprecht mit Blick auf die RTL-Sendung.

Auskunft bei Hubertus Heil

Katharina Saalfrank sitzt in einem bunten Schulzimmer auf einem kleinen Stuhl, als sie nun doch zu dem Thema Stellung beziehen muss. Hinter ihr hängt eine Erdkarte, daneben eine der britischen Inseln, ein paar Zeitungsartikel aus den Lokalblättchen sind ausgeschnitten. "Ich fühle mich nicht kritisiert", sagt sie zu dem Kommentar Rupprechts, vielmehr müsste man sich an Hubertus Heil wenden, wenn man Auskunft über ihre Rolle im Wahlkampf erhalten möchte. Saalfrank wirkt unruhig. "Ich bin ein kleines Licht", sagt sie, "ich bleibe bei meiner Berufung und konzentriere mich auf das Wesentliche." Mit Hubertus Heil sei sie schon vor einem Jahr unterwegs gewesen, damals "hätte noch niemand von Wahlkampf gesprochen".

Die Kritik, dass man in ihrer Sendung nur medienwirksam agiere, kann sie zum Teil sogar nachvollziehen. "Eine Nachsorge ist mir deshalb besonders wichtig", sagt sie. Auch den Titel Super Nanny findet sie schwierig. "Da wird suggeriert, dass jemand kommt, der super ist - das schafft eine schwierige Anfangssituation", sagt sie.

Einige Stunden später ist Katharina Saalfrank an einer anderen Grenze Brandenburgs angekommen, an der zu Berlin. Im Bezirk Treptow-Köpenick kämpft der SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel einen schweren Kampf um ein Bundestagsmandat gegen den Linken Gregor Gysi.

Hier, im Altglienicker Bürgerhaus, ist an diesem Abend alles rot. Rote Ledersessel stehen auf dem Podium, rote Stühle vor der Bühne, rote Plakate hängen an der Wand. Mit Wahlkampf habe das nichts zu tun, wird Wasserhövel fast schon empört nach der Veranstaltung sagen. Vor der Tür stören zwei spontane Gegenveranstaltungen die sozialdemokratische Harmonie. Die Gewerkschaft der Polizei demonstriert für mehr Lohn, die CDU verkauft Lose gegen die "Bildungslotterie". Eine Frau schwenkt: "Gegen verfehlte rot-rote Bildungspolitik hilft die Super Nanny".

Der Wind bläst der SPD ins Gesicht, auch hier im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Es fehlt ein Thema für den Bundestagswahlkampf. Die Familienpolitik wurde von der CDU-Ministerin Ursula von der Leyen mit allen Themen besetzt, die früher mal als sozialdemokratisch galten. Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie - der siebenfachen Mutter fehlt als Powerfrau das sozialdemokratische Gegenüber.

Auch wenn sich die SPD-Spitze dagegen wehrt - in diese Lücke stößt Katharina Saalfrank mit den Veranstaltungen, die unter dem Titel "Bildung und Familie - was brauchen unsere Kinder" geführt werden. Damit liegt eine Last auf ihr, die sie offenbar unterschätzt hat. Sie ist die Hoffnungsträgerin der SPD.

Und tatsächlich: Saalfrank ist bekannt und beliebt, medial gewandt, glaubwürdig, jugendlich und vierfache Mutter zugleich. Ein Besucher sagt, er sehe sie jetzt das erste Mal in Natur und gesteht ihr: "Du siehst umwerfend aus." Vor allem aber zeigt sie an diesem Abend eines: ihre Kompetenz.

Im Bürgerhaus Altglienicke spricht Saalfrank von "familiären Ritualen", von denen sie "großer Fan ist". Sie kritisiert, dass Eltern Verlässlichkeit von Kindern erwarten, aber auf der anderen Seite "oft gar nicht merken, dass sie selbst nicht verlässlich seien". Sie diskutiert Väterrechte, Sanktionen, einen Elternführerschein. Begeistert verfolgt das Publikum die Ausführungen der Super Nanny, auch die zahlreichen Kinder beteiligen sich an der Diskussion - und wenn es nur mit einer Frage nach einer Unterschrift ist.

Am Ende gibt es langen Applaus und die erwünschte Autogrammstunde. Vergessen sind die Gegenveranstaltungen vor der Tür, die Umfragewerte, die schlechte Stimmung. "Wir wollten das Thema Familienpolitik mal völlig anders aufziehen", sagt Kajo Wasserhövel am Ende fast ein wenig euphorisiert, "das ist gelungen".

Währenddessen eilt Katharina Saalfrank aus dem Saal ins Obergeschoss, weg von Interviewanfragen und Blitzlichtern. Sie will schnell wieder zu ihrer Familie, sagt eine SPD-Mitarbeiterin. Sich den Kindern widmen, "sie nimmt ihre Aufgabe als Mutter sehr ernst". Heraus aus dem Wahlkampf, von dem jeder behauptet, dass er erst im August beginnt. Und der doch schon im Juli begonnen hat, auf den Schultern der Super Nanny.

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12 Kommentare

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  • NJ
    navajo joe

    Danke, Anna, für den Hinweis bzw. das Zitat. Das ist ja offenbar noch schlimmer, als ich dachte. Aber vielleicht hilft das ja tatsächlich der CDU ein paar Stimmen abzuluchsen? - ohne von den noch übrigen ca 20% welche zu verlieren. Dann käme ich in Versuchung zu sagen: Da heiligt der Zweck dann dieses Mittel (nicht immer allg. aber in diesem Fall vielleicht doch), immerhin gilt es so etwas wie C plus F Regierung zu verhindern. Angesichts der in Vielem sehr entscheidenden Situation (vom Atomausstieg bis zu anderen Fragen) steht da wirklich viel auf dem Spiel und sogar eine Schröder-SPD wäre da das deutlich kleinere Übel

  • U
    Unzeit-gemäß

    Man muss sich mal vergegenwärtigen: Die SPD hat früher mal mit Leuten wie Dieter Hildebrandt und Walter Jens Wahlkampf gemacht, mit Leuten, die für einen kritischen, aufgeweckten Geist standen; und jetzt so eine sauertöpfische Gouvernante. Und die SPD war ursprünglich mal - die gesellschaftlichen Folgen ahnend - gegen die Einführung des Privatfernsehens. Naja, aber das ist alles gefühlte 150 Jahre her.

     

    Die SPD vertritt nicht nur nicht mehr die Interessen der Arbeiter, sie hat auch den Anspruch auf geistig-kulturelle Eigenständigkeit aufgegeben und fischt einfach nur noch im von den privaten TV-Sendern definierten Mainstream nach irgendwelchen Stimmen. Kein Wunder, eine aktive, mitmischende Parteibasis gibt es ja auch nicht mehr (zumindest in meiner Gegend haben sind die beiden früher noch bestehenden Parteibüros dichtgemacht worden), das läuft jetzt wohl nur noch über eine PR-Agentur.

  • E
    erika.oczipka

    Ich habe keinen Fernseher. Das wird sich auch nicht ändern, sollte Frau Saalfrank zu höheren Weihen in der SPD kommen. Aber was kann schlimmer sein als Auftritte von Müntefering, Steinbrück, Lafontaine und Seehofer, von Schäuble und Westerwelle. Das Gruselkabinett hat noch mehr Mitglieder als die oben genannten. Frau Merkel habe ich beiseite gelassen, da sie ja neuerdings ein wenig von der Aura des Herrn Obama mit sich herum trägt. Das sieht man sicher auf dem Bildschirm, oder?

    Wenn ich Saalfrank hieße, würde ich in jedem noch so großen Saal frank und frei für meine Partei auftreten und frischen Wind mitbringen. Aber bei dem Satz (Zitat:"...möchte die Politik mit zu den Menschen nehmen...) gruselt es mich schon wieder. Auch ohne Fernseher. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Oder vielleicht mit der taz? Gehört dieser Artikel nicht vielmehr unter "Wahrheit"? Ich kenne mich nicht mehr aus. Amen.

  • W
    White_Chocobo

    DAS (bzw. DIE) hat der SPD gerade noch gefehlt...

  • S
    SKLAVE

    Uns Heil Hubertuschen, der hat mindestens so dringend wie die SPD eine SUPER-NANNY nötig.

    Auf was für ein jämmerliches, neoliberales, nicht mehr einordbares Niveau ist diese POSTSCHRÖDERSCHE Arbeiterverräterpartei u.v.m bloß gesunken. PFUI, lieber zerreiß ich meinen Wahlzettel.

  • A
    Anna

    Was hat sie vor kurzem sinngemäß zu ihrem Engagement für die SPD gesagt: an der SPD findet sie u.a. die Politik von Schröder gut, weil der Solidarität gerade gegenüber den Bedürftigsten übte.

    Sonst noch Fragen?

    Die SPD arbeitet am bundesweiten Projekt 22 % minus X...und das verdient.

  • NJ
    navajo joe

    Danke, Anna, für den Hinweis bzw. das Zitat. Das ist ja offenbar noch schlimmer, als ich dachte. Aber vielleicht hilft das ja tatsächlich der CDU ein paar Stimmen abzuluchsen? - ohne von den noch übrigen ca 20% welche zu verlieren. Dann käme ich in Versuchung zu sagen: Da heiligt der Zweck dann dieses Mittel (nicht immer allg. aber in diesem Fall vielleicht doch), immerhin gilt es so etwas wie C plus F Regierung zu verhindern. Angesichts der in Vielem sehr entscheidenden Situation (vom Atomausstieg bis zu anderen Fragen) steht da wirklich viel auf dem Spiel und sogar eine Schröder-SPD wäre da das deutlich kleinere Übel

  • U
    Unzeit-gemäß

    Man muss sich mal vergegenwärtigen: Die SPD hat früher mal mit Leuten wie Dieter Hildebrandt und Walter Jens Wahlkampf gemacht, mit Leuten, die für einen kritischen, aufgeweckten Geist standen; und jetzt so eine sauertöpfische Gouvernante. Und die SPD war ursprünglich mal - die gesellschaftlichen Folgen ahnend - gegen die Einführung des Privatfernsehens. Naja, aber das ist alles gefühlte 150 Jahre her.

     

    Die SPD vertritt nicht nur nicht mehr die Interessen der Arbeiter, sie hat auch den Anspruch auf geistig-kulturelle Eigenständigkeit aufgegeben und fischt einfach nur noch im von den privaten TV-Sendern definierten Mainstream nach irgendwelchen Stimmen. Kein Wunder, eine aktive, mitmischende Parteibasis gibt es ja auch nicht mehr (zumindest in meiner Gegend haben sind die beiden früher noch bestehenden Parteibüros dichtgemacht worden), das läuft jetzt wohl nur noch über eine PR-Agentur.

  • E
    erika.oczipka

    Ich habe keinen Fernseher. Das wird sich auch nicht ändern, sollte Frau Saalfrank zu höheren Weihen in der SPD kommen. Aber was kann schlimmer sein als Auftritte von Müntefering, Steinbrück, Lafontaine und Seehofer, von Schäuble und Westerwelle. Das Gruselkabinett hat noch mehr Mitglieder als die oben genannten. Frau Merkel habe ich beiseite gelassen, da sie ja neuerdings ein wenig von der Aura des Herrn Obama mit sich herum trägt. Das sieht man sicher auf dem Bildschirm, oder?

    Wenn ich Saalfrank hieße, würde ich in jedem noch so großen Saal frank und frei für meine Partei auftreten und frischen Wind mitbringen. Aber bei dem Satz (Zitat:"...möchte die Politik mit zu den Menschen nehmen...) gruselt es mich schon wieder. Auch ohne Fernseher. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Oder vielleicht mit der taz? Gehört dieser Artikel nicht vielmehr unter "Wahrheit"? Ich kenne mich nicht mehr aus. Amen.

  • W
    White_Chocobo

    DAS (bzw. DIE) hat der SPD gerade noch gefehlt...

  • S
    SKLAVE

    Uns Heil Hubertuschen, der hat mindestens so dringend wie die SPD eine SUPER-NANNY nötig.

    Auf was für ein jämmerliches, neoliberales, nicht mehr einordbares Niveau ist diese POSTSCHRÖDERSCHE Arbeiterverräterpartei u.v.m bloß gesunken. PFUI, lieber zerreiß ich meinen Wahlzettel.

  • A
    Anna

    Was hat sie vor kurzem sinngemäß zu ihrem Engagement für die SPD gesagt: an der SPD findet sie u.a. die Politik von Schröder gut, weil der Solidarität gerade gegenüber den Bedürftigsten übte.

    Sonst noch Fragen?

    Die SPD arbeitet am bundesweiten Projekt 22 % minus X...und das verdient.