Eine Million Euro für Auszug gezahlt: Tacheles verkauft sich teuer
Gastronomie-Fraktion zieht aus dem Kunsthaus aus - für eine Million Euro. Hinter dem Deal soll die HSH Nordbank stecken. Bagger walzt Hinterhof platt.
Also doch: Nachdem am Montag der Deal mit einer der beiden zerstrittenen Tacheles-Fraktionen für eine freiwillige Räumung geplatzt war, verließ am Dienstag die Gruppe der Gastronomie-Nutzer das Kunsthaus - für eine Abfindung von einer Million Euro. Das Geld kommt nach taz-Informationen von der Zwangsverwalterin, der HSH Nordbank.
Mit Bauzäunen sperren schwarz gekleidete Muskelmänner am Dienstagmorgen die Freifläche hinterm Tacheles ab, neben den Metallwerkstätten. Dahinter walzt ein Bagger über das Gelände, zermalmt Bretterbuden, schiebt das Biotop samt Krötenteich zu. Metallbildhauer Hakan Özata stellt eine kleine Holzbühne an den Zaun. Ein "Scheißtag" sei das, sagt der 32-Jährige mit der schwarzen Wollmütze, seit elf Jahren im Tacheles. "Jetzt wird die Zukunft nicht leichter." Künstlerkollegen stehen schweigend neben Özata auf dem Podest - und staunende Touristen. "It's a shame", sagt ein Tourist aus New Jersey. Hier werde sinnlos Geld verschwendet. Er hofft, dass die Künstler gewinnen.
Nach heimlichen Verhandlungen hatte sich am Sonntagabend die Gastro-Fraktion des Tacheles mit der Charlottenburger Kanzlei Schultz und Seldeneck geeinigt: Auszug für eine Million Euro. Als das Geld nicht auf dem Notarkonto eintraf, schien der Deal erledigt. Am Montagabend floss die Summe dann. Dienstagfrüh übergaben die Tacheles-Nutzer ihre Schlüssel für das Café Zapata, das Studio 54 und das Kino an Rechtsanwalt Martin Schultz.
"Es war die schwerste Entscheidung des Lebens, eine reine Vernunftentscheidung", sagt Gruppensprecher Tim Africa. "Aber nach zehn Jahren Dauerkrise ging's einfach nicht mehr." Auch öffentlich sehe er keinen Rückhalt mehr fürs Tacheles. "Das Geld nehmen wir als Startkapital für neue Kulturarbeit." Anwalt Schultz, ein nüchterner Mann im schwarzen Anzug, verfolgt bis zum Nachmittag wie im Café Zapata die Schlösser ausgetauscht werden. "Ja, es gab eine Einigung", sagt er. Sein Auftraggeber? Kopfschütteln.
Nach taz-Informationen steckt die HSH Nordbank hinter der Vereinbarung, was auch ein Tacheles-Auszügler bestätigt. Die HSH hatte 2007 das Kunsthaus-Areal übernommen, nachdem eine Tochter-GmbH der Fundus-Gruppe insolvent gegangen war. Eine Zwangsversteigerung des Geländes wurde am Montag kurzfristig vertagt. Offiziell bestreitet die Bank den jetzigen Auszugs-Deal. "Wir haben damit nichts zu tun", so HSH-Sprecherin Gesine Dähn. Gleichzeitig bestreitet sie aber, dass es bereits eine Einigung mit einem Interessenten gegeben hat. Da auch die Fundus-Gruppe und der als Hauptinteressent geltende Investor Harm Müller-Spreer am Dienstag dementieren, müsste also ein Unbeteiligter den Tacheles-Leuten eine Million gegeben haben. Nicht sehr plausibel.
Im ersten Stock der Kunstruine steht am Dienstag Tacheles-Vorstand Martin Reiter und blickt durch die Graffiti-versehrten Fenster. ",Städtebau Berlin 2011' heißt dieses Theaterstück", weist Reiter auf den walzenden Bagger. "Der Ballermann ist weg, übrig bleibt, was uns wichtig ist - die Kultur." Mittelfristig würde das Tacheles dadurch gewinnen, glaubt Reiter. Auch er sieht die HSH hinter der Million-Abfindung. "Offenbar tun die jetzt alles, um den Preis fürs Gelände hochzutreiben." Die verbleibenden Künstler würden sich aber keinesfalls "bestechen" lassen, so Reiter. Stattdessen müsse endlich der Senat aktiv werden und das Tacheles kaufen.
Dort winkt man ab. Weder habe die Stadt das Geld dafür noch könne sie als Immobilienentwickler auftreten, so Kultur-Sprecher Torsten Wöhlert. Der Senat wolle das Tacheles sehr wohl als Kunstort erhalten. Die Räumung aber sei "ein Geschäft zwischen Privaten", so Wöhlert.
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