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Eine Meeresbucht wird Bürgermeister von Dublin Von Ralf Sotscheck

Eigentlich ist er der geborene Loser: 20 Jahre lang hatte er unermüdlich für einen Sitz im irischen Parlament gekämpft, bis er 1981 endlich als parteiunabhängiger Abgeordneter gewählt wurde. In einer seiner ersten Amtshandlungen stimmte er gegen die vom Kabinett vorgeschlagene Steuer auf Kinderschuhe und brachte dadurch die Regierung zu Fall. Bei den erforderlichen Neuwahlen flog er aus dem Parlament – sieben Monate nach seinem Einzug.

Heute vor einer Woche ist er zum Bürgermeister von Dublin gewählt worden. Die Rede ist von Sean D. Dublin Bay Rockall Loftus. Der 67jährige besteht darauf, daß stets sein voller Name genannt wird. Schließlich hat er ihn sich für teures Geld standesamtlich eintragen lassen, um an seine politischen Kampagnen zu erinnern: Die Verwandlung der dreckigen Dubliner Bucht in einen natural swimming pool sowie den Protest gegen die irische Regierung, die es bis heute tatenlos hingenommen hat, daß Großbritannien 1972 die Ölfelder vor der irischen Nordwestküste annektiert hat.

Sein Schlüsselerlebnis in puncto Umweltschutz hatte Loftus in den sechziger Jahren bei einer Landwirtschaftsausstellung in New Jersey. Dort begegnete er der perfekten Karotte: „Nicht so knubbelig und krumm, wie die Dinger sonst sind, sondern wohlgeformt, glatt und von leuchtendem Orange.“ Später erfuhr er, daß der Karottenziehvater das Gemüse in Teströhren auf dem Dach eines New Yorker Wolkenkratzers angebaut und dann mit Lebensmittelfarbe angestrichen hatte.

Seitdem engagiert sich Dublin Bay Loftus im Umweltschutz, ohne dabei von irgend jemandem unterstützt zu werden. Man hält ihn für einen Exzentriker, der mit Überschallgeschwindigkeit losplappert und nicht mehr zu bremsen ist, wenn man ihm einmal das Wort erteilt hat. Seine Wahl zum Bürgermeister verdankt er allein dem Losglück. In der Dubliner Stadtverwaltung gibt es eine Regenbogen-Koalition, in der von links bis rechts alles vertreten ist – bis auf die Stadträte von Fianna Fáil, der größten Partei. Die Regenbogen-Koalition verteilt den jährlich zu vergebenden Posten des Bürgermeisters unter sich.

Diesmal waren die Parteilosen dran: Sie schrieben ihre Namen auf Zettel, warfen sie in einen Hut, und Loftus' Name wurde herausgezogen. Böse Zungen behaupten, daß sein Zettel wegen des langen Namens so groß wie ein Badetuch gewesen sei und er deshalb gewann. Die Wahl war dann nur noch Formsache. Loftus reiste per Motorboot von seiner Namensgeberin, der Dublin Bay, über den Fluß Liffey zur Stadthalle an, um den Hals eine bunte Schwimmweste und die rechte Faust siegessicher hochgestreckt. Damit sei er bereits in die Stadtgeschichte eingegangen, denn noch nie sei ein Bürgermeisterkandidat auf dem Wasser zur Wahl angereist, meinte die Dubliner Presse höhnisch.

In Zukunft, so versprach der neue Stadtvater, werde er jedoch das „Umweltauto“ seines Vorgängers John Gormley von der grünen Partei benutzen, der ebenfalls in die Geschichte eingegangen ist: Er ist wie vom Erdboden verschluckt, seit er Prinz Charles bei dessen Dublin-Besuch vor kurzem in den Arsch gekrochen ist und die Anti- Windsor-DemonstrantInnen als Blamage für Irland gebrandmarkt hatte.

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